Der Babylon Code
den Tod sollte seine Rettung sein.
Chris durchbrach das provisorische Holzgeländer und prallte gegen die Plastikplane des Baugerüsts. Die Plane beulte sich, nahm sein Körpergewicht auf. Das Metallgestänge kreischte und schaukelte unter der Belastung. Sein rechtes Schienbein schlug gegen eine Bodenplanke, und die stechenden Schmerzen betäubten ihn fast.
In diesem Moment brach die Hölle los.
Die letzte Kugel des Linkshänders traf einen der blauen Benzinkanister.
Die maximale Dehnung der Plane war erreicht, und Chris’ Körper hing für den Bruchteil einer Sekunde wie beim Bungee-Jumping in der größtmöglichen Ausdehnung, dann schleuderte ihn die Plane zurück, und er stürzte nach unten.
Von hinten raste die Druckwelle heran und trieb eine Schrapnellwolke aus Steinen und Holzteilen vor sich her. Die Explosion fegte die Killer wie Sandkörner im Sturm davon.
Über Chris prasselte ein Geschosshagel zertrümmerter Baumaterialen in die Plane und durchlöcherte sie tausendfach.
Seine linke Hand war noch oberhalb der Betondecke, als die Druckwelle herantoste. Ein Schwarm aus Miniaturspeeren grub sich in seinen Handrücken und bohrte sich in seinen linken Unterarm.
Er stürzte in die Tiefe, knallte gegen Stangen und Metallkanten. Die Schläge quetschten die Rippen, ein Schlag in die rechte Niere ließ ihn fast ohnmächtig werden.
Seine linke Hand war taub; hastig versuchte er, mit der Rechten irgendwo Halt zu finden. Sein Kopf krachte gegen die Metallkante einer Holzplanke. Über ihm tobte die Druckwelle der Explosion und ließ die Betonplatte beben.
Ein mächtiger Ruck stoppte seinen Sturz und riss ihm fast die Muskeln auseinander. Über ihm prasselte ein Platzregen aus zerfetzten Steinen und Holz auf den Beton der Zwischendecke.
Der plötzliche Druck an seinem Bauch war unerträglich. Er hing kopfüber in halber Höhe über den Gleisen. Sein Gürtel hatte sich im Rücken an irgendeinem Teil des Gerüstes verfangen. Der Gürtel quetschte am Bauch eine Ader ab, und die Schmerzwellen kochten sein Gehirn weich.
Stechende, dann wieder brennende Schmerzen ließen ihn bei der kleinsten Bewegung aufschreien.
Verschwommen sah Chris unter sich den Bahnsteig. Er konnte die Höhe nicht abschätzen. Wenn er stürzte, würde auch der letzte Knochen in seinem Körper brechen.
Mit einem tierischen Brüllen bäumte er sich auf und schwang herum, fasste mit der rechten Hand nach dem Gestänge und zog sich an das Gerüst heran. Er strampelte mit den Füßen in der Luft, bis sein rechter Fuß Halt auf einer Schelle fand.
Der Druck an seinem Bauch ließ nach, und er fummelte mit der Linken so lange am Rücken herum, bis der Gürtel von dem Metallhaken rutschte, in dem er sich verfangen hatte. Doch dann rutschte er ab, fiel erneut und schlug auf einer Planke auf, die zwei Meter tiefer aus dem Gerüst ragte.
Er roch den Zement und bewegte sich nicht.
Immer wieder flüsterte eine Stimme, dass er weiter müsse. Aber sie überzeugte ihn nicht. Sie bot nichts als Schmerzen. Bei jeder Bewegung.
»Erst werde ich ausruhen, Kraft sammeln.« Er schloss die
Lider. »Nur ein paar Minuten ausruhen, dann werde ich es versuchen.«
Er dämmerte weg; durch den Nebel sah er fallende Körper, das verzerrte Gesicht der Professorin, dann tauchte Brandaus Eulengesicht mit den runden Brillengläsern auf. Noch ein Gesicht erschien. Ernst und irgendwie verärgert.
Zu den Bildern gesellten sich Stimmen, die aggressiv Anweisungen zischten, wo doch alles so friedlich schien.
Er schien zu schweben. Die Schmerzen waren für Sekunden nicht auszuhalten. Er schrie, und der Schweiß schoss aus seinen Poren, als wäre jede einzelne ein kleiner Springbrunnen.
Er sah durch den Schleier Brandau an seinem Rucksack. Brandau zerrte den Verschluss der Hartplastikschale auf, fingerte in den Baumwolltüchern, bis er den kleinen Sender fand.
Er hatte es nicht bemerkt. Und er hatte es ihm auch nicht zugetraut.
»Rucksack, Hotelschlüssel, den Scheißkerl… alles mitnehmen.«
Chris begriff. Es war kein Traum.
Es geschah tatsächlich.
Kapitel 26
Vatikan
Samstagmorgen
Monsignor Tizzani betrat zögernd das Arbeitszimmer. Der Papst wirkte auf seinem Sessel mit der hohen Rückenlehne hinter dem großen Schreibtisch beinahe zerbrechlich. Tizzani blieb stehen und richtete den Blick auf die Muster der hellen Tapete an der Wand hinter dem Papst.
Er wartete, bis der Papst ihn aufforderte, an den Schreibtisch zu kommen. Tizzani setzte sich auf den Stuhl vor
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