Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Der Babylon Code

Der Babylon Code

Titel: Der Babylon Code Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Uwe Schomburg
Vom Netzwerk:
Fernbedienung, und eine Trennwand glitt nahezu lautlos auseinander. In dem kleinen Raum dahinter standen ein Tisch und mehrere Ledersessel.
    Schließlich erstarb das leise Summen des Elektromotors. Wie von Geisterhand fielen Lichtkegel von der Decke nach unten und beleuchteten gebündelt die Tischplatte, auf der zwölf Tontafeln, drei Knochen und ein tönerner Gründungsnagel lagen.
    Marvin trat an den Tisch und streckte die Hand aus, zögerte, zog sie dann langsam zurück. »Leider muss uns das hier im Augenblick mehr interessieren als die Reste der Aleppo-Bibel.« Seine Stimme klang belegt, und ein kurzes Schütteln durchfuhr seinen Körper. Dann hatte er sich wieder in der Gewalt. Er trat zur Seite und setzte sich mit düsterer Miene in einen der Sessel.
    Lavalle griff seine handschriftlichen Aufzeichnungen, die neben den Tafeln auf dem Tisch lagen. »Auch dies sind unschätzbare Kostbarkeiten.«
    »Wie können Sie Texte auf heidnischen Tontafeln mit dem Wort unseres Herrn auf eine Stufe stellen? Lavalle! Bremsen Sie sich!«, unterbrach ihn Marvin barsch. Wie Biberzähne an einem Baum nagte plötzlich Zweifel in ihm. Wo war der Geist der
Prätorianer
? Lavalle musste den Reifetest noch bestehen… das würde er schnellstens nachholen.
    Lavalle lächelte trotz der mahnenden Worte selbstzufrieden. Er rollte die Blätter in seinen Händen zusammen. »Monsieur Brandau und ich haben den Text einmal durchgearbeitet und mit
    dem Inhalt der fragmentarischen Übersetzung, die Monsieur Brandau aus Berlin mitgebracht hat, verglichen.«
    »Was steht auf den Tafeln?« Tizzani strich mit den Fingern seiner rechten Hand sanft über eine der Tontafeln. Dabei ruhten seine Augen nachdenklich auf den Knochen. »Achten Sie auf Knochen«, hatte der Heilige Vater ihm mit auf den Weg gegeben.
    »Also – zunächst zu den Texten von Nebukadnezar II. Es ist meines Wissens die erste Beschreibung, die sich konkret auf einen Feldzug Nebukadnezars II. gegen Kišh bezieht und dazu auch noch den Grund benennt.«
    Lavalle schien zu wachsen. Sein Körper war schlagartig straff, und seine freudige Erregung übertrug sich als Vibrieren auf seine Stimme. Er begann vorzulesen.
    »Nebukadnezar, der König von Babylon, der ehrwürdige Fürst, der Günstling des Marduk, der Liebling des Nebo, der Vorbedachte, der nach Weisheit trachtet, der auf dem Weg ihrer Gottheit merkt, in ihrer Ehrfurcht verharrt vor ihrer Herrlichkeit, der Stadtverwalter, der nie ermüdet, der auf die Erhaltung von Esagila und Ezida täglich bedacht ist, der auf Huld gegen Babylon und Borsippa ständig sinnt, der Weise, der Gebetsfreudige, der Erhalter von Esagila und Ezida, der erstgeborene Sohn von Nabopolassar, des Königs von Babylon, bin ich.
    Seit Marduk, der große Herr, das Haupt meiner königlichen Majestät emporrichtete und die Herrschaft über die Gesamtheit der Menschen mir anvertraute, seit Nebo, der Wächter der Gesamtheit des Himmels und der Erden, zur Leitung aller Völkerscharen und zur gedeihlichen Förderung der Menschheit ein gerechtes Szepter in meine Hand gegeben, verehre ich sie, bin bedacht auf ihre Gottheit, bei Nennung ihrer ehrwürdigen Namen bin ich von Ehrfurcht erfüllt vor Gott und Göttin. Mit ihrem erhabenen Beistande habe ich ferne Lande, entlegene Gebirge vom oberen bis zum unteren Meere, arge Wege, versperrte Pfade, wo der Tritt gehemmt wurde, der Fuß nicht rasten konnte, Straßen voll Beschwerlichkeit, Wege voll Durst durchzogen.
    Die Rebellen habe ich geschlagen, gefangen genommen die Feinde. Das Land habe ich in Ordnung gehalten, das Volk gedeihlich gefördert. Die Schlechten und Bösen unter dem Volk hielt ich fern. Silber, Gold, Edelsteine, alles, was kostbar, herrlich ist, funkelnde Fülle, Erzeugnisse der Berge, Schätze des Meeres, eine schwere Menge, überreiche Gaben brachte ich nach meiner Stadt Babylon.«
    Lavalle schnaufte vor Anstrengung und machte eine Pause, ehe er zu einer Erklärung ansetzte. »Die ersten Tafeln des babylonischen Königs sind nichts anderes als eine Schilderung oder Rechtfertigung seiner Herrschaft. Nichts Besonderes, von anderen Tafeln und Herrschern bekannt. Nichtsdestotrotz natürlich eine Kostbarkeit.« Er lächelte und stand neben dem Tisch, als wäre er der Mittelpunkt des Sonnensystems.
    Marvin stutzte. Er hatte Lavalle noch nie so erlebt. Er variierte wie ein Schauspieler Tempo und Ruhe, mischte laute und leise Töne in seinen Vortrag und erzeugte eine Lebendigkeit, als sei er selbst der

Weitere Kostenlose Bücher