Der Babylon Code
die man sonst als Krankheitsherd bekämpft, dazu benutzen, um zu heilen? Wenn das überhaupt der Grund ist. Vielleicht ist es ja auch der getestete Wirkstoff und nicht die Methode. Sie haben ihm gesagt, es sei ungefährlich.«
»Ich schon mal gar nicht. Verantwortlich ist Dr. Jacques Dufour. Er leitet diese Forschungsreihe und hat mit dem Patienten alles vereinbart.«
Ihre Augen fraßen sich ineinander. Plötzlich lenkte Folsom ein.
»Nach allem, was wir wussten, schien es ungefährlich.« Seine Stimme wurde weicher. »Worum ging es denn? Eine Variante des Telomerasekomplexes testen. Fragen zur Wirkungsweise von aktivitätsbestimmenden Proteinen beantworten. Über Virenfähren injiziert. Nichts wirklich Aufregendes also, um Tausenden Menschen danach die Chance zu geben, sie von ihren Leiden zu heilen.«
Pater Hieronymus schauderte. Er war am falschen Ort, in einer gottlosen Welt. Wie unendlich weit weg und gottesfürchtig lebten er und seine Brüder in ihrem Kloster.
Er fühlte sich zur Unterstützung des Teufels abgestellt.
Folsom war Wissenschaftler, Forscher, ein Mann aus der Welt, die die Kirche seit Jahrhunderten erfolglos bekämpft hatte. Jetzt wühlten sie in der Schöpfung, waren dabei, sie zu verändern, zu manipulieren. Was waren die Erkenntnisse Galileos oder Keplers im Vergleich zu diesem lästerlichen Frevel! Der Pater bedauerte in diesem Moment, dass die Kirche ihr Werk in den Jahrhunderten zuvor nicht besser vollendet hatte.
Aber es gibt noch Hoffnung, dachte Pater Hieronymus. Seit mehr als zwanzig Jahren redeten diese neuen Götzen von den Segnungen der Gentherapie. Sie weckten Erwartungen, denen sie bisher nicht gerecht geworden waren. Wo waren die Menschen, die durch Gentherapie geheilt worden waren? War es Gottes Weg, sie so scheitern zu lassen? War der Tod des jungen
Mannes ein Opfer auf dem Weg Gottes? Der Pater griff innerlich nach diesem Strohhalm.
»Was hat Ihnen Dr. Dufour erzählt?«, fragte Folsom.
Der Pater zögerte, witterte eine Falle.
»Wie Sie wissen, unterliegt dies hier der strengsten Geheimhaltung. Wissenschaft funktioniert wie alles andere in dieser Welt. Auch bei uns sind Erfolge zu achtzig Prozent Geld. Sie ahnen vielleicht, wie sehr die Konkurrenz auf Fehler wartet. Dr. Dufour hat mir vorhin noch einmal versichert, wie vertrauenswürdig Sie sind. Das Flugzeug steht bereit, ich muss nach Boston. Wir sollten demnächst noch einmal reden. Ich habe als Dank an eine entsprechende Spende für Ihr Kloster gedacht.«
Folsom schob den Scheck über die blank polierte Tischplatte.
Der Pater erschrak, als er die Summe las. Sie entsprach ziemlich genau dem Betrag, den er für die anstehende Restauration der kleinen Kapelle benötigte.
Folsom kam um den Schreibtisch herum.
»Einigen wir uns darauf, dass der Tod des jungen Mannes nichts weiter ist als ein Schlagloch auf dem Weg hin zur erfolgreichen Gentherapie.«
Pater Hieronymus nahm den Scheck, knüllte ihn zusammen. Dann trat er an Folsom heran, und sein linker Arm packte den Mann im Nacken. Folsom zappelte im Griff des Priesters, der ihm mit der rechten Hand den Scheck in den Mund stopfte.
Kapitel 6
Toskana
Nacht von Donnerstag auf Freitag
»Ohne meine Medikamente halte ich nicht mehr lange durch. Ich brauche meine Kraft noch für die Reise. Ponti wird sich um alles kümmern.«
Forster ächzte schwer, als er sich erhob. Der Diener eilte herbei, wollte ihm helfen, aber Forster brummelte unwirsch, zischte einen Fluch. Dann schien er sich an seine Worte zu erinnern und ließ sich stützen, während er aus dem Raum wankte.
Chris stand auf und streckte sich. Kurz darauf betrat Ponti, wie immer im dunklen Anzug, den Innenhof. Chris sah die leichte Ausbuchtung der Jacke.
»Mit Waffe?«, fragte Chris.
»Weißt du doch. Nie ohne!« Die dunklen Augen blitzten, und über sein schmales Gesicht huschte ein fast schon verlegenes Lächeln. Der Italiener fuhr sich durch das kurze Haar. »Ich war ganz schön überrascht, als ich vorhin die Meldung vom Tor erhielt, wer da kommt.«
»Wie meinst du das?«, fragte Chris.
Der Italiener lächelte schief, goss sich mit ruhigen Handbewegungen ein Glas Rotwein ein und prostete Chris zu.
»Du bist neu in dem Spiel. Ich habe nichts gewusst. Du bist ein Schachzug des großen Meisters, den er ganz allein ausgetüftelt hat.«
Chris schüttelte den Kopf. Antonio Ponti war der Bodyguard des Kunsthändlers, jener Mann, dem Forster sein Leben anvertraute.
»Willst du mir damit sagen, Forster
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