Der Babylon Code
Garten Eden. Sollte Gottes Wort…
»Aber auch das Todesenzym.« Dufour seufzte. »In achtzig bis neunzig Prozent aller Krebszellen ist dieses Enzym aktiv. Es überwindet den natürlichen Zelltod und sorgt dafür, dass Krebszellen unsterblich sind, unendlich wachsen und damit den Organismus töten. Nun gibt es seit ein paar Jahren Experimente, bei denen mit dem Enzym behandelte Zellen nicht zum erwarteten Zeitpunkt alterten und auch keine Tumore entwickelten. Mittlerweile wissen wir, dass bei entstehenden Tumorzellen die Telomeren überraschend kurz sind und dass die Krebszellen wuchern, weil sie Telomerase aktivieren und die Telomeren konstant halten können, wobei Krebszellen absterben, sofern sie dazu nicht in der Lage sind. Es gehört offensichtlich eine Kombination von mehreren Faktoren dazu, dass Krebs durch Telomerase ausgelöst wird. Und da haben wir angesetzt.«
»Telomerase wirkt doch nur in Zellen, die sich überhaupt noch teilen. Also bei Haut-oder Leberzellen. Aber Hirnzellen oder die Zellen des Herzmuskels teilen sich bei einem Erwachsenen nicht mehr. Ihr irrt euch.«
»Pater, wir erforschen diesen riesigen Ozean in kleinsten Tauchfahrten. Tatsache ist, dass es beim Fadenwurm gelungen ist, bei Züchtungen die Telomere mittels des Enzyms Telomerase deutlich zu verlängern. Die durchschnittliche Lebenserwartung wurde von zwanzig auf vierunddreißig Tage verlängert. Mehr als fünfzig Prozent zusätzliche Lebensspanne.«
»Unseliger, was ist in eure kranken Hirne gestiegen? Altern ist ein biologischer Prozess, der stark von sozialer Bindung, Stress, geistiger und körperlicher Fitness und Ernährung abhängt. Der Telomeraseansatz geht nach meiner Kenntnis in Richtung Ersatzteilzüchtung. Man entnimmt einem kaputten Knie Knorpelzellen, lässt sie unter Telomerase expandieren und pflanzt sie wieder ein.«
»Es gibt dreihundert Theorien über das Altern. Noch weiß niemand, wie es wirklich funktioniert. Auch unser Ansatz kann falsch sein. Telomerase besteht aus zwei funktionalen Teilen. Der eine Teil ist der große Proteinanteil, der andere Teil ist die Ribonukleinsäure, also die RNA, mit etwa einhundertsechzig Basen. Die RNA ist die Matritze, aus der die Verlängerung der Telomer-Enden herausgebildet werden kann. Das Gen für den Proteinanteil liegt auf dem fünften Chromosom, das Gen für den RNA-Anteil auf dem dritten.«
Der Geistliche starrte Dufour an. Er sah den begeisterten Blick des Forschers, der ihn an seine Verklärung erinnerte, wenn er sich vollkommen Gott zuwandte.
»Wir haben vor dem Zeitpunkt angesetzt, an dem die Telomere der Zellen so kurz werden und durch die Aktivierung von Telomerase Krebszellen entstehen. Denn wir wollen durch den Einsatz der richtigen Telomeraseproteine geschädigte Leberzellen regenerieren, ohne eine Entartung zu Krebszellen zuzulassen.«
Hieronymus verstand. Sie versuchten, die Fähigkeit des Enzyms zu einem Zeitpunkt zu nutzen, an dem es nachweislich noch kein unkontrolliertes Zellwachstum auslöste.
»Also haben wir mit den verschiedenen Proteinen, aus dem die Telomerase besteht, experimentiert und eindeutige Erfolge in Tierversuchen gehabt«, sagte Dufour, als er den düsteren Blick des Paters sah. »Dabei haben wir das Enzym zur fortgesetzten Zellteilung eingesetzt, ohne dass die schädigende Wirkung auftrat. Dann taten wir den nächsten Schritt. Bei Mike Gelfort wurden die erfolgreichen Telomeraseproteine eingesetzt, die in den Tierversuchen keine schädigende Nebenwirkung erzeugt hatten. Er besaß nur leicht geschädigte Leberzellen und Telomeren, die von ihrer Länge her noch weit von dem Punkt entfernt waren, wo nach allen wissenschaftlichen Beobachtungen durch Telomerase die Mutation zu Krebszellen zu erwarten war.«
»Und woran ist er dann gestorben?«
»Wir wissen es nicht«, sagte Dufour ganz leise. »Die Proteinstruktur, eine spezielle Komponente seiner DNA, die die Explosion der Krebszellen auslöste, die Virenfähren – wir wissen es einfach nicht.« Dufour sah zu Boden. »Ich suche Vergebung – ich möchte beichten!«
»Nein!«
Dufour war verzweifelt. Er hatte Mike Gelfort die Spritze gegeben. Ihn verfolgte das stumme Vertrauen in Gelforts Blick, als er den Kolben niedergedrückt hatte. Der junge Mann hatte gelächelt.
»Pater – ich bin krank vor Schuld!«
Er hatte den weiteren Test an Mattias Kjellsson verschoben, auch wenn dessen Mutter ihre ganze Hoffnung darauf setzte. Sie hatte ihn verständnislos angesehen – doch er konnte
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