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Der Bademeister: Roman (German Edition)

Der Bademeister: Roman (German Edition)

Titel: Der Bademeister: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Katharina Hacker
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getrunken. Wie die anderen trank ich Bier und Schnaps, musste mich auf Klaus’ Schulter stützen. Was murmelst du da, sagte Klaus, die halten dich für dumm. Bei seiner Mutter lebt er, lachten die anderen, der sieht so viele junge Frauen, dass er keine braucht.
    Einige Tage vergingen so, und morgens wachte ich nicht von allein auf, ließ mich von meiner Mutter wecken, was ist denn mit dir los? fragte Cremer. Nur wenige Tage, ein Lärmen im Kopf, Stimmen, dass ich in schlechter Gesellschaft bin, sagte meine Mutter, das ist kein Beruf für dich. Schon immer hat sie meinen Beruf gehasst, aber ich wollte nie Bademeister werden, ich habe es mir nicht ausgesucht, es war ein Irrtum von Anfang an, und jetzt hat es mich hierhin zurückgetrieben, als wäre es der einzige Ort, an dem ich bleiben kann. Manchmal sehe ich jetzt die unsicheren Schritte meiner Mutter vor mir, von meiner Arbeit wollte sie nichts wissen, in all den Jahren, seit mein Vater tot war, sich im Wohnzimmer aufgehängt hatte wie ein Fremder, und als ich ihn abschnitt, erkannte ich sein Gesicht nicht mehr. Seither sind zahllose Gesichter und Körper an mir vorbeigezogen, Schwimmer allesamt, sie kamen morgens einer nach dem anderen und waren noch verschlafen, zogen sich aus wie Kinder, und nachmittags streckten andere die Ellenbogen nach den Seiten aus, wie um sich ihren Platz zu sichern, und spät am Abend kamen wiederum andere, suchten Entschädigung für den vergangenen Tag, und alle glitten einer wie der andere an mir vorüber, nur manchmal traf ich die Letzten auf der Straße, eine Tasche oder Plastiktüte in der Hand, graue Gestalten, die im Licht einer Straßenlampe auftauchten, schließlich in Hauseingängen oder einer Straßenbahn verschwanden.

    Als Erster war ich morgens da und ging abends als Letzter, achtete sorgfältig darauf, dass es keinen Grund zur Beanstandung gab, damit der Hausmeister oder Frau Karpfe keinen Anlass fanden, die Schwimmhalle zu betreten. Von den Kollegen habe ich mich fern gehalten, und auch meiner Mutter bin ich nur ausnahmsweise begegnet, wenn sie zu früh aufwachte oder zu spät schlafen ging. Ich habe niemandes Gesellschaft gesucht, dazu nie viel gesprochen: das kann man mir nicht vorwerfen. Aber jetzt bleibt es hier still, wenn ich nicht spreche. Das Wasser fehlt mir, die Badegäste fehlen, nicht einmal einen Heizer gibt es mehr.
    Früher gab es nie Grund zur Klage, durch mein Versäumnis hat niemand Schaden gelitten. Nur einmal, gerade während dieser Tage, mussten wir den Notarzt rufen, doch dabei trug das Schwimmbad keine Schuld, denn in der Auskleidekabine ist die Frau gestürzt, mit einem kurzen Aufschrei, und da sie sich erbrach, konnte man glauben, es sei ihr schlecht geworden. Dann sah ich das erbrochene Blut und dass ihr Kopf in einer roten Lache lag. Rasch liefen auch die anderen zusammen; ich habe es neulich gleich gewusst, sagte der Hausmeister am Abend, was in den Wänden ist, vergiftet uns, und wer sich zu oft dort aufhält, wird verrückt.
    Aber der Notarzt hatte uns erklärt, dass sie schwer krank gewesen sei, und das Schwimmbad blieb geschlossen, bis es gereinigt war.

    Das sind Flecken, sagte meine Mutter, Blutflecken, sagte sie und hielt den Bademantel, den ich am Vorabend zum Waschen mitgenommen hatte, in ihrer Hand. Das ist keine Arbeit für dich, wiederholte sie, und ich sah, wie schwach sie war, ärgerlich wie an dem Tag, als ich zum ersten Mal ins Schwimmbad ging, um meine Stelle anzutreten, als sie grußlos das Haus verließ, sich von mir nicht verabschiedete und sich vor den Bekannten schämte, die einen studierten Menschen erwarteten, einen Menschen, dann flüsterten, es sei von einem Faschistenkind nichts anderes zu erwarten. Ich wollte nie Bademeister werden, ging schwimmen, weil Vater auf einen gesunden Körper hielt, bevor er sich erhängte und mir mitgeteilt wurde, ich dürfe nicht studieren, denn die Kommission hätte mich abgelehnt. Sie werden ja wissen, warum, sagte man mir, seien Sie froh, wenn man Ihnen eine Lehrstelle bewilligt, können Sie überhaupt irgendetwas, wurde ich gefragt, bei dieser Familie? Schwimmen kann ich, werde ich geantwortet haben, denn Schwimmen war das geringste Übel, obwohl ich nie gerne geschwommen bin, im Wasser aber meine Ruhe hatte, nur hinein ins Wasser und schwimmen. Vom ersten Augenblick an habe ich meine Arbeit als Bademeister gehasst, aber es muss doch einer aufpassen, dass keiner ertrinkt, sagte ich meiner Mutter, aber sie schrie, ich hätte besser

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