Der Bademeister: Roman (German Edition)
daran getan aufzupassen, dass mein Vater sich nicht erhängt. Erst war ich der Gehilfe des alten Bademeisters, musste bleiben, solange er es wollte, dann war ich selbst der Bademeister und keiner außer mir, und wenn sie mich nicht sehen wollte, musste sie das Haus nicht einmal verlassen, denn ich ging sehr früh und kam erst spät zurück. In den letzten Jahren hat sie darauf gewartet, dass ich zurückkäme, hoffte, dass alles anders würde, und wollte mit mir reden, gleich an der Tür, wenn ich nach Hause kam, doch habe ich auch dann nicht mehr gesprochen. Jeden Tag habe ich unzählige Personen in Bademantel oder nackt gesehen, hässliche Körper in Badeanzügen oder Badehosen, und morgens fand ich oft einen der rosa Lockenwickler meiner Mutter und fürchtete, sie würde mir entgegenkommen, im Bademantel oder nackt, vermied es, das Badezimmer zu benutzen, setzte den Kaffee für sie auf und ging. Sie hatte böse Beine und wollte mir die Knie oder eine Schwellung zeigen, sie setzte sich auf einen Küchenstuhl und zog das Nachthemd hoch, ich wusste nicht, wohin ich schauen sollte, und bot ihr an, den Arzt zu rufen, sie wolle meine Hilfe, sagte sie, ich hätte ihr nie geholfen, auf mich könnte sie sich nicht verlassen.
Wenn einer behauptet, dass ich getrunken habe, so gilt das nur für ein paar Tage, und wer sagt, ich sei in schlechte Gesellschaft geraten, der kann es mir nicht anlasten, denn es waren die Angestellten des Stadtbades, meine Kollegen, und sie forderten von mir, ich solle mich ihnen anschließen. Dass ich zu alt sei, noch eine Stelle zu finden, sagten sie mir und lachten.
Frühmorgens bin ich zum ersten Mal nicht von allein aufgewacht, und meine Mutter hat an die Zimmertür geklopft; du hast getrunken, sagte sie und betrat mein Zimmer. Sie hat sich in meinem Zimmer umgeschaut wie damals, als sie mich aufforderte, die Bücher wegzupacken, jetzt waren keine Bücher da, und nur mein alter Globus stand auf dem Tisch. Das Wohnzimmer habe ich nie betreten, mein Vater hatte sich dort aufgehängt, dann stand sein Foto auf dem Fernseher, davor ein kleiner Tisch, zwei Sessel und ein geblümtes Sofa, und auf dem Sofa saß abends meine Mutter in ihrem Bademantel und wartete darauf, dass ich mich zu ihr setze. Die letzten Jahre ist sie kaum aus dem Haus gegangen, und wenn sie mittags zum Friseur ging, legte sie mir einen Zettel auf den Küchentisch, obwohl ich gar nicht da war und nicht wissen konnte, dass sie fortgegangen war, und eine Veränderung ihres Aussehens habe ich nie festgestellt.
Meine Kindheit und alle folgenden Jahre habe ich in derselben Wohnung verbracht, und nichts hat sich verändert, die Jahre haben eines Tages aufgehört sich voneinander zu unterscheiden. Natürlich kann man ein Haus abreißen, eine Mauer, kann darauf warten, dass ein weiterer Placken von der Wand springt, die Wände selbst einstürzen, die Galerie, die Pfeiler mit den Löwenfratzen. Wenn Sie ungeduldig werden, das Gebäude abreißen wollen, dann können Sie das tun. Alles kann man abreißen, selbst das, was schon von selbst einstürzt. Nur die Wohnung meiner Mutter wird immer bleiben, wie sie war.
Ist eh schon zu lange, sagte ich zu Klaus und war betrunken, stolperte über die kaputten Bürgersteige, Klaus fluchte, packte mich am Arm, es regnete, und meine Schuhe waren nass, Klaus strauchelte, auch er betrunken, ich fasste seine Schulter, als wäre er ein Badegast, obwohl Klaus nie geschwommen ist, im Keller zwischen den Öfen und seinen zwei Aquarien saß. Die Fische schwimmen, sagte er mir, das reicht.
Hast du das Gesicht von der Chefin und vom Hausmeister gesehen? fragte Klaus. Wer weiß, was sie all die Jahre getrieben haben. Die Wände! sagte Klaus. Vergiftet, hast du gehört, was der Hausmeister sagt? Was in den Wänden sein könnte, und dass wir vielleicht auch krank werden und un-ser Blut auskotzen wie diese Frau, und hinter deinem Rücken hat er gesagt, du wärest vielleicht von all den Jahren in der Schwimmhalle blöde geworden. Es sind Spitzel, hat Klaus gesagt. Wer weiß, was sie im Schwimmbad versteckt haben. Haben sie nicht versucht, dich auszuhorchen? Aber ich antwortete nicht.
Nach Namen habe ich nie gefragt, und es gibt keinen Namen, den ich mir gemerkt hätte, hören Sie? Ob der oder jener hier gewesen sei? wollten sie von mir wissen, mit dem oder jenem geredet hat? Die Gesichter und Körper kannte ich, wusste genau, wie einer schwimmt, wie lange, an eine Bewegung oder Schulter und an Füße kann ich mich
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