Der Bademeister: Roman (German Edition)
unteren Teil mit den Kacheln von der verputzten Wand abtrennt. Die Wände sind in hellem Gelb gestrichen, das verblasst ist, aber über den Pfeilern sieht man eine Verfärbung. Sie können mich nicht zum Narren halten. Wenn ich mich mitten ins Schwimmbecken stelle und leise rede, hören Sie kein Wort. Man hat beobachtet, dass ich mit mir selber rede. Auch wenn das wahr ist, kann man es mir nicht anlasten. Es ist nicht verboten.
Mein Leben lang habe ich gearbeitet und getan, was mir aufgetragen war. Nach ein paar Jahren versteht man, worauf es ankommt. Niemand kennt das Schwimmbad so gut wie ich.
Klaus hat im Heizungskeller zwei Aquarien aufgestellt. Dass in ein Schwimmbad Fische gehören, dass er sich langweilt, behauptete er. Den ganzen Tag nichts als Kohlen, Staub und Gestank, zehn Stunden oder mehr, denn statt zwei Heizer einzustellen, hatte Frau Karpfe nur ihn eingestellt. Mit mir hat sie es ebenso gemacht. Ein neuer Bademeister würde den alten ersetzen, dessen Gehilfe ich war, hieß es zunächst, und später hat man mir versprochen, ein zweiter Bademeister würde sich die Arbeit mit mir teilen, denn ich war täglich vierzehn Stunden hier, von sieben Uhr morgens bis neun Uhr abends. Ich habe nichts dazu gesagt. Vielleicht hat Frau Karpfe die beiden Gehälter in ihre eigene Tasche gesteckt oder mit dem Hausmeister geteilt.
Als der ihr zutrug, dass Klaus sich Fische hält, drohte sie ihm mit Kündigung, doch unternommen hat sie nichts. Sie wird gewusst haben, warum. Klaus hat auch am Wochenende und überhaupt für zwei gearbeitet. Seit er angefangen hat, im Volksbad zu arbeiten, ist er aus dem Volksbad kaum noch herausgekommen. Es war nicht recht. Die Fische hat er nicht versteckt. Nicht lange vor der Schließung ist er mit einem Eimer in die Schwimmhalle gekommen, um Wasser aus dem Becken zu schöpfen. Für meine Welse, sagte er und grinste. Die Welse kann man essen. Im Werkzeugraum hat er die Sicherheitsventile geöffnet und mit dem heißen Dampf gekocht. Ist mir doch gleich, wenn das verboten ist, hat er laut gesagt. Die Welse haben überlebt, obwohl sie wochenlang nicht gefüttert wurden. Vielleicht liegt das am Schwimmbadwasser, oder sie haben sich gegenseitig aufgefressen. Jetzt geht es ihnen schlecht. Sie schwimmen so langsam hin und her, als wären sie krank, als wüssten sie, dass alles bald vorbei ist. Sehr groß sind sie geworden, seit ich wieder hier bin, und ihre schwarzen Barthaare schleifen auf dem Grund. Wie Totenfische sehen sie aus, und wenn sie sterben sollten, wäre das ein böses Zeichen. Mit Fischen kenne ich mich nicht aus. Das ist nicht meine Schuld. Ich war nur für die Schwimmhalle zuständig, dafür, dass niemand hier ertrinkt. Die Hinweisschilder sind gut sichtbar angebracht: Vorsicht bei Benutzung der Leitern! Gesicht der Leiter zugewandt!
Springen von den Seiten verboten!
Und ich bin niemals krank gewesen, obwohl ich fast vierzig Jahre lang für zwei gearbeitet habe. Frau Karpfe und der Hausmeister können es bestätigen. Was ich tun konnte, habe ich getan. Sehen Sie sich das Schwimmbecken jetzt an eine Staubschicht bedeckt die Kacheln, die Farben sind stumpf und lösen sich auf. Nachts hört man Mäuse fiepen, und auch Ratten habe ich gesehen. Das Wasser in den Auskleidekabinen ist abgestellt, die Duschen hängen wie Metallgespenster, dürre Vogelköpfe auf Stangen aufgespießt. Verschmutzt die Kacheln, Bänke und Garderobenständer fehlen, der Raum geplündert, kahl – wie eine Schlachterei, gerade gut genug für Tierkadaver, mit Abflussrinnen für das Blut. Fauliger Geruch dringt aus den Wasserhähnen, und nachts machen sich Ratten hier zu schaffen, lauern darauf, dass auch ich fort bin und keiner sie mehr stört. Ist es das, worauf Sie warten? Auf einen Grund, das ganze Gebäude abzureißen?
Aber jetzt werde ich nicht mehr schweigen.
Es muss sich um einen Irrtum handeln. Das Volks- und Schwimmbad existiert seit Anfang des Jahrhunderts. An drei Seiten zieht sich die Galerie entlang. Zwei breite Bögen tragen fünf schmalere, zwischen denen die Zuschauer auf Holzbänken mit hohen Lehnen sitzen. An der Stirnseite halten steinerne Stützbalken, die mit Löwenköpfen verziert sind, die Galerie, Löwenköpfe mit drohenden Tatzen und spitzen Krallen. Hören Sie? Ich kenne das Schwimmbad genau. Einer muss über das Gebäude wachen. Die Treppengeländer zum Keller und in der Eingangshalle sind aus Schmiedeeisen. Kleine dicke Fische schmücken sie. Oben sind die Wannenbäder. Als
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