Der Bademeister: Roman (German Edition)
denn was auch immer man äße, es würde tropfen oder krümeln, immer kleine Bröckchen, die im Wasser aufweichen würden, zerfallen. Jeder Schmutz klebt an den nackten Füßen, löst sich im Wasser ab, wo die Arme und Beine herumwirbeln, bevor er auf den Boden absinkt, nicht wieder auftaucht, nicht einmal Schlieren sieht man, aber sie sind doch da, man weiß es ganz genau, und verunreinigen das Wasser.
Im Schwimmbad zu essen ist verboten, und solange man im Schwimmbad bleiben will, muss man hungern, entweder verhungern oder gehen, denn nur für den Bademeister ist eine kleine Kammer abgeteilt, in der ich mittags rasch die beiden Brötchen aus Cremers Kiosk aß.
Manchmal sieht man, dass einem beim Schwimmen der Mund offen steht, Speichelfäden aus den Mundwinkeln rinnen, so wie kleinen Kindern Milch oder Kakao übers Kinn rinnt, man darf dazu nichts sagen, und ob einer ins Wasser pinkelt, weiß man nicht. Man sieht die Körper, Leberflecken, Warzen, Fußpilz und gelbe Zehennägel, die fettig gewellte Haut. Sie sind nicht appetitlich, und essen darf hier keiner. Ich habe mich daran gehalten, hören Sie? Die Lebensmittel, die ich hergebracht habe, sind im Heizungskeller, und sowie ich gegessen habe, kehre ich den Boden, damit nichts an meinen Schuhen haftet. Ich kehre immer gleich, auch nachdem ich die Fische gefüttert habe, kehre ich, weil das Futter trocken ist und die Flocken neben das Aquarium fallen könnten.
Wenn ich auch Dinge hierherbringe, die in einem Schwimmbad nichts zu suchen haben, so achte ich doch darauf, dass sie im Keller bleiben, obwohl Schilder und Regeln inzwischen sinnlos sind. Fische haben in einem Schwimmbad nichts zu suchen, auch nicht in einem leeren Becken, das staubig ist. Der tote Fisch liegt noch immer dort, die Regeln sind vergeblich, doch achte ich streng darauf, sie einzuhalten, soweit es irgend geht.
Eine Regel, die verbietet, einen Globus hierherzubringen, gab es nie. Ein Globus richtet keinen Schaden an. Und weil die Erdkugel zu zwei Dritteln aus Wasser besteht, wäre es richtig, in jedem Schwimmbad einen Globus aufzustellen. Man sagt, die Menschen kämen aus dem Wasser, wie alle Lebewesen, man sagt, der Mensch bestünde meistenteils aus Wasser. Dagegen ist nichts einzuwenden, und wenn Staub den Beckengrund bedeckt, so ändert sich doch nichts daran, auch wenn die Schilder und Warnungen jetzt sinnlos sind, weil keiner mehr kommt, weil dieser Ort ein Unding ist, ein Fehler, mit den Grenzen der Globen hat das nichts zu tun.
Mein Globus stand im untersten Fach des Schranks für Fundsachen, er stand in einer dunklen Ecke und leuchtete nicht, weil er nicht leuchten kann, wenn man den Stecker herausgezogen hat. Von einer Nachbildung der Erdkugel kann man nicht erwarten, dass sie von selbst leuchtet, als wäre ihr Erdkern flüssig, da sich im Inneren kein Erdkern, sondern eine Glühbirne befindet. Die Glühbirne war unversehrt geblieben, stellte ich fest, als ich den Globus aus dem Spind herausgezogen, auf den Tisch gestellt, den Stecker in eine Steckdose gesteckt hatte und den Schalter betätigte. Ich habe mich darüber nicht gewundert, ich erwartete nichts anderes, als dass ein Globus unter keinen Umständen Schaden nehmen würde, was sich erst jetzt als falsch erweist. Denn es ist nicht bei dem einen Globus geblieben, ich habe drei weitere Globen hier. Ein Globus und ein zweiter sind schon verloschen, der dritte und der vierte könnten jederzeit flackern und schließlich ebenfalls verlöschen, und das ist nicht meine Schuld, sondern die Schuld der Umstände.
Die anderen Globen habe ich gefunden. Spätabends kam ich an dem Kaufladen vorbei, der vormals ein Laden für Landkarten und Reiseführer gewesen war und inzwischen ebenfalls geschlossen, weil die Besitzerin mich erkannt hatte und zu den Badegästen zählte. Von Diebstahl kann nicht die Rede sein, und ich war auf der Straße, um in der Wohnung zu übernachten.
Ein Bademeister darf nicht im Schwimmbad einschlafen, dachte ich. Frühmorgens kehrte ich zurück und hoffte, die Öfen mögen noch nicht ausgegangen sein, denn es ist leichter, sie anzuheizen, wenn sie noch warm sind, und ein Gebäude, das im Winter nicht geheizt wird, erleidet Schäden, die sich nicht beheben lassen. Deswegen ging ich abends spät hinaus, obwohl es keinen Heizer gab, ich habe mich nicht herumgetrieben, musste etwas zu essen einkaufen und Futter für die Fische, im Dunkeln, hoffte ich, würde mich keiner sehen, wenn ich den Seiteneingang öffnete und
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