Der Bademeister: Roman (German Edition)
Straße. Vorruhestand oder arbeitslos, darauf kommt es nicht an, ich habe die anderen gesehen, sie laufen durch die Straßen oder stehen da, betrunken, sitzen an den Haltestellen, und in den Supermärkten sieht man sie, die meisten sind sehr still und höflich, eilig haben sie es nicht, sie haben alle Zeit der Welt, ziehen die Schultern ein, um Platz zu sparen, Gesichter noch grauer als sonst im Winter, das Grau hat sich in die Haut gefressen und in die Augen, jede Bewegung vorsichtig, als könnte gleich etwas zerbrechen, und nur die Hände zittrig, wenn sie das Geld abzählen.
Ich habe die ganze Nacht dort gesessen. Glaubte Schwimmer zu sehen; auch Cremers Tochter war dabei, sie trug eine Badekappe über ihrem hellen Haar, ihr Gesicht kahl und schmal geworden, die Gliedmaßen mager, ich habe mich gesorgt, dass sie nicht schwimmen kann, doch konnte ich mich nicht bewegen, konnte sie nicht rufen, ich wusste ihren Namen nicht, dass sie nicht mehr lange leben würde, wusste ich, vielleicht war es aber auch ein anderes Kind, dass man sie töten würde, dachte ich, und meinen Vater sah ich, er packte sie am Arm, als stünde sie am Beckenrand und sollte hinunter, hinuntergestoßen werden, mein Vater sah sehr ruhig aus, dann schien er etwas zu brüllen, vielleicht einen Befehl, es waren viele Kinder, Frauen, sie trugen alle Badekappen, darunter Cremers Tochter, die ich nicht erkennen konnte, es waren kahle Schädel, hässlich wie Tote, danach die Schritte, gleichmäßig und laut, ich fürchtete, sie kämen, hätten mich entdeckt, der Hausmeister stand neben einem fremden Mann, zog ihn zum Seiteneingang, gab ihm den Schlüssel, dann war es Klaus, der seine Fische mit zerrissenen Papieren fütterte, die Fische sind gewachsen, die Fische werden immer größer, ich wusste nichts davon, sah meine Mutter Briefe lesen, und dann verbrannte sie die Briefe, verbrannte Fotos, auch sie trug eine Uniform, dann schnitt sie mir die Haare kurz, ich wollte gehen, ich wollte sagen, es ist Zeit zu gehen, doch gab es keine Zeit und die Entfernung war zu groß, der alte Bademeister winkte müde ab, er schloss die Türen auf, er sah, was im Becken war, erbrach sich, zog später zwei Männer zu dem schmalen Gang, der Seiteneingang und Heizungskeller verbindet, er wollte etwas erklären, doch hörten sie nicht zu, es war sehr dunkel.
Es war kalt, die Handtücher wärmten nicht, sie rochen moderig, als wären sie feucht geworden, an meiner Hand klebten Fussel, rosa wie die Lockenwickler meiner Mutter, ich wollte sagen, dass man mich verwechselt, der alte Bademeister und nicht ich sei hier. Dann fiel mir Tanjas Name ein, die anderen Badegäste kamen einer nach dem anderen, sie waren durchsichtig wie Röntgenbilder, und plötzlich dachte ich bei jedem, dass ich sein Leben kenne. Ich hatte nie etwas damit zu tun, solange sie nicht ertranken, ging ihr Leben mich nichts an; ich wollte nichts von ihnen wissen, ob einer verzweifelt war, ein anderer glücklich, sie trugen manchmal Badekappen, und ihre Gesichter waren dann starr, ich habe es gesehen, die nackten Körper und das Wasser, ich habe den Geruch gespürt, das Chlor kommt nicht dagegen an, die Sauberkeit des Wassers ist eine Täuschung, alles bleibt im Wasser, unsichtbare Teilchen, die jetzt im Becken an den Kacheln kleben. Im Becken lag der tote Fisch, ich wollte hier nicht länger sein, nur war im ersten Tageslicht das Becken voller Wasser, ein schweres, trübes Wasser wie das aus dem Aquarium der toten Fische, gleich läuft es ab, fürchtete ich, wollte auch um Hilfe rufen, es darf nicht sein, noch einmal leer gelaufen dieses Becken, und das Gebäude zersprang in seine Teile, sehr große Risse, die Kacheln springen in der Kälte, nicht einmal der Abriss wird nötig sein.
Am Morgen wachte ich verwirrt auf, Arme und Beine ungeschickt, alles haftet im Kopf, man will die Hand in den Kopf stecken und suchen, was dort ist, so wie man in dem großen Filter sucht, in dem sich die Haare fangen, Fussel und alles, was ins Wasser fällt, nicht gleich absinkt, den Filter muss man täglich kontrollieren, damit er nicht verstopft, es ist das Flockungsmittel, das die Dinge bindet zu Knäueln aus winzigen Partikeln, die Finger wissen nicht, was sie ertasten, allmorgendlich habe ich den Filter kontrolliert, das Sieb darin ist empfindlich, und wenn man nicht auf die Qualität des Wassers achtet, dann geschieht leicht ein Unglück, wenn man nicht gleich merkt, dass die Grenze der Belastbarkeit erreicht ist,
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