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Der Bademeister: Roman (German Edition)

Der Bademeister: Roman (German Edition)

Titel: Der Bademeister: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Katharina Hacker
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die Schwankungen des Wassers sind sehr fein, und man muss abwägen, was man tut. Sie haben mich verhöhnt, der Hausmeister und Frau Karpfe, doch wenn das Wasser umkippt, muss man es ablassen und das Schwimmbad schließen.
    An diesem Morgen war das Wasser trübe. Auf der Holzbank war ich eingeschlafen, die Kälte und der Geruch weckten mich. Man darf nicht auf der Straße schlafen, die Kälte frisst Wunden in die Beine, sie führen einen ab, man sieht sofort, dass einer verkommen ist, an den Schuhen kann man es sehen: Ich habe den Schmutz nicht ertragen, den Geruch, stand auf und zog mich aus, ich dachte, dass ich schwimmen würde, es war ja keiner da, ich dachte, ich würde so ins Wasser gehen, dieses eine Mal, ohne vorher zu duschen, weil in den Auskleidekabinen kein Wasser war. Ich würde die ganzen Tage und Wochen abwaschen, der Irrtum wäre dann behoben. Ich war sehr lange nicht geschwommen, der Bademeister muss nicht schwimmen, aber vielleicht war das der Fehler.

    Die Arme und Beine waren klamm und ungeschickt, die Handtücher hatten nicht gewärmt, ich legte sie zusammen, zog Schuhe, Jacke, Hemd und Hose aus, einen Moment schämte ich mich, da ich keine Badehose bei mir hatte, dann zog ich mich ganz aus und ging die flachen Stufen auf der Nichtschwimmerseite hinunter.
    Es war sehr kalt. Am anderen Ende des Beckens, da, wo das Becken drei Meter tief ist, erschrak ich, denn das Wasser ist zu tief, als dass man dort stehen könnte.
    Fünfundzwanzig Meter vom einen Beckenende bis zum anderen, der Länge nach durchquert, die grünen Kacheln eiskalt, staubig, und dann drei Meter tief, ich ging in eine Ecke, wollte nicht, dass mich einer sieht, nackt, und zitterte vor Kälte, musste zurück zur Bank, auf der meine Kleider lagen, fünfundzwanzig Meter. Ging so dicht am Rand, dass meine Arme die Fliesen streiften, über mir die Haltestange, dann neben mir, der Kopf schon wieder aus dem Wasser, die Kälte, die bloßen Füße, kein Wasser, nur der Staub.
    Im Staub auf den Kacheln zeichnet sich der Umriss eines Körpers ab, der Staub fehlt, man sieht es, wenn die Sonne scheint, den Umriss eines Körpers, der daliegt, ohne sich zu bewegen.
    Dann bin ich aufgewacht.
    Wie viel Zeit fehlt, weiß ich nicht zu sagen, Stunden oder Tage. Wenn eine Stunde fehlen kann, als hätte es sie nie gegeben, dann darf man sich nicht mehr sicher sein.

    Schließlich bin ich aufgestanden, nahm meine Kleider, ging hinunter in den Keller, noch immer unbekleidet, sah das Aquarium mit den Welsen, das Wasser stank, ich habe das Glas gesucht, verdrecktes Wasser so lange herausgeschöpft, bis die Fische beinahe auf dem Boden lagen, ängstlich nach Luft schnappten. Vier schwarze Fische, sie lagen da und zappelten, ich dachte, dass sie sterben würden, und wartete, aber es dauert lange, ich würde warten, dachte ich, und wenn sie tot wären, könnte ich gehen.
    Aber die Fische waren zäh, wollten nicht sterben, die verletzte Hand schmerzte, ich nahm die Kleider, stand, immer noch nackt, vor dem Aquarium; Kohlenstaub, Asche auf dem Boden, die Öfen still und kalt, berührte mit der unverletzten Hand die großen Kessel, würde hinausgehen, dachte ich und wusste nicht wohin. Dass die Fische endlich sterben, wollte ich, aber sie zappelten, schnappten nach Luft, als müssten sie ertrinken, die Zeit vergeht sehr langsam, wenn man darauf wartet. Sie werden das Stadtbad nicht wieder öffnen. Es kommt darauf nicht an, und alles ist geregelt, Vorruhestand, die anderen fort, haben eine Stelle, sind arbeitslos, hierher kommt niemand mehr.
    Ich habe es begriffen, hören Sie?
    Keiner wird kommen.
    Ich betrachtete reglos die Fische, die nicht aufhörten zu zappeln, zu leben. Schließlich holte ich frisches Wasser, füllte das Aquarium, wusch mich am Waschbecken und zog die Kleider an.

VI
    Ich nahm den Schlüssel, schloss die Tür von innen auf, verschloss sie hinter mir. Von Einbruch kann nicht die Rede sein. Ich habe das Schwimmbad freiwillig verlassen. Erst auf dem Weg in die Wohnung fiel mir der Globus wieder ein. Dass ich ihn vergessen hatte, dass ich die Fische füttern müsste, dachte ich und war unruhig, obwohl ich die Tür sorgfältig abgeschlossen hatte.
    Wegen des Globus war ich zurückgekehrt, wegen der Fische hatte ich den Globus vergessen, die Fische würde keiner füttern, einer würde den anderen fressen, der Letzte dann verhungern, am Schluss bleibt einer übrig und verhungert, dachte ich und machte einen Umweg, um Cremers Kiosk auszuweichen, ich

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