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Der Bademeister: Roman (German Edition)

Der Bademeister: Roman (German Edition)

Titel: Der Bademeister: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Katharina Hacker
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meine Stimme ist noch da, und manchmal frage ich mich, woher sie kommt, denn es ist sehr still, und ich habe niemals viel gesprochen.
    Ich sehe die Schrunden an den Wänden, sehe die Risse in den Farben; sie erinnern mich an die alten Badegäste, die frühmorgens kamen, an ihre blasse Haut, die blauen Adern, die braunen Flecken, und wenn man den Blick abwendet, so sieht man doch die Füße, gelbliche Nägel, die verwachsen sind und nur noch dazu taugen, über den Tod hinweg weiter zu wachsen. Die Hässlichkeit dauert länger als das Leben. Seit dem ersten Tag habe ich es gehasst, seit ich mich um sieben Uhr in der Schwimmhalle melden sollte, es war Winter, das Wasser im schwachen Licht der Notbeleuchtung kaum zu erkennen, und als der Bademeister auf mich zutrat, erschrak ich.

    Um sieben Uhr, hat man mich angewiesen, und was ich mitzubringen habe, sei mir bekannt: und ich ging los, als ginge ich zum Schwimmen. Stand vor dem leeren Becken, wartete, ein Hausmeister hatte mich eingelassen, doch war die Halle leer, das Wasser unbewegt. Dass es nur eine kurze Zeit sein würde, dachte ich, dass es sich um einen Irrtum handele, wollte ich dem Bademeister sagen, als er kam, doch der musterte mich voller Misstrauen, so dass ich schwieg. Ich würde ihn heute nicht erkennen, es ist jetzt vierzig Jahre her, und seinen Namen weiß ich nicht mehr, weiß nur noch, dass er größer war als ich und fragte, ob ich keinen Bademantel hätte. Ich hatte keinen, ich musste meine Mutter darum bitten, sie wollte nichts davon hören, ihr eigener Sohn könne nicht Bademeister sein, behauptete sie und weigerte sich, mir einen Bademantel zu kaufen. Der alte Bademeister gab mir nach zwei Wochen seinen alten, der grau vom vielen Waschen war und den ich lange trug. Als ich nach drei Jahren noch immer und längst der einzige Bademeister war, fand ich eines Abends meine Bücher in Kisten gepackt, und meine Mutter stand in meinem Zimmer. Du brauchst die Bücher nicht, sie fangen nur Staub, sagte meine Mutter und holte aus ihrem Schlafzimmer eine Tüte. Die Bücher gehören weg, sagte meine Mutter und forderte, dass ich sie hinuntertrüge. Ich habe die Kartons, vier Kartons, hinunter in den Hof getragen. Was dann damit geschehen ist, weiß ich nicht. Als ich zurückkam, sah ich auf meinem Bett den neuen Bademantel liegen.

    Ein Jahr lang war ich der Gehilfe. Der Bademeister stand auf der einen Seite des Schwimmbeckens, ich auf der anderen.
    Dreimal wurde ich zu einem Gespräch bestellt; ich glaubte, dass mir mitgeteilt würde, ich dürfte jetzt studieren. Aber man wollte von mir wissen, ob ich zufrieden sei, der Bademeister nett zu mir. Sie können wohl einiges von ihm lernen, sagte man mir und forderte mich auf, einen Bericht über meine Arbeit zu schreiben. Was ich über meinen Vorgesetzten wisse, wurde ich gefragt. Hören Sie? Das ist jetzt vierzig Jahre her. Ich würde ihn nicht wiedererkennen, und auch damals wusste ich über ihn nicht mehr, als dass er der Bademeister war. Sie haben ihn ins Schwimmbad geholt, weil er nebenan wohnte und weil der alte Bademeister, sein Vorgänger, sein eigener Onkel gewesen war. Von den Vorgängen im Schwimmbad habe er erst nach dem Krieg erfahren, hat er gesagt. Er musste helfen, sie hinauszutragen, da waren sie schon tot. Er hat wenig gesprochen, und auch mit mir allenfalls abends, bevor wir gingen.
    Wie immer stand er auf der einen Seite, ich gegenüber, die Halle war schon leer, ich wusste nicht, warum sie kamen, zwei Männer waren es, er kannte sie, war nicht überrascht. Ich habe ihn gesehen, wie er dastand, den Kescher in der Hand, er war sehr mager und stand gebeugt, als stützte er sich auf einen Stock, als sie ihm befahlen mitzukommen. Mich sahen sie dann erst und waren verärgert und sagten, ich solle bleiben, wo ich war. Es ging sehr schnell. Er weigerte sich zu gehorchen, und als sie sich ihm nähern wollten, stürzte er auf die Kacheln. Dann schleppten sie ihn fort.

    Drei Tage später haben sie auf mich gewartet, abends, vor dem Volks- und Schwimmbad, und forderten mich auf, in ihr Auto zu steigen. Ich kann mich an den Bademeister nicht erinnern. Sie zeigten mir Fotos und behaupteten, mein Vater sei darauf zu sehen, aber ich habe ihn nicht erkannt. Ob ich gesehen hätte, was mit dem Bademeister geschehen sei, fragten sie; ich hatte es gesehen. Ich habe es vergessen. Jetzt kommt keiner mehr hierher, und niemand hat gesehen, was geschehen ist. Ich habe nichts gesagt.
    Den Putzlappen und seinen

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