Der Bademeister: Roman (German Edition)
Geruch, der am Wasser haftenbleibt, Teilchen, die sich von den Körpern lösen, und das Wasser bewahrt alles auf, das Wasser und die Fliesen, über die unzählige bloße Füße gelaufen sind, an den Kacheln und den Wänden haftet der Geruch, von denen, die kommen, kurze Zeit bleiben, wieder gehen, dreitausend wöchentlich am Anfang, fast hundert Jahre lang, das Volksbad neu eröffnet, Wettschwimmen und Schauschwimmen und auf der Galerie sitzen sie immer noch und applaudieren, noch ein paar Wochen oder ein paar Tage, und das ist alles.
Hören Sie? Man kann die Leute wegschicken. Hier waren täglich Badegäste, und jetzt kommt keiner mehr, das Wasser ist fort, alles so still, als wäre es nie anders gewesen. Den Geruch hat man nicht bemerkt, weil das Chlor stärker riecht als alles andere, das Wasser riecht nach Chlor, aber man spürt es, dass Leute im Wasser waren, und als einmal für drei Tage das Schwimmbecken geschlossen war, kein Badegast hineindurfte, war mir das Wasser fremd. Nicht einmal die Hand wollte ich hineinstecken. Ich bin nicht mehr gerne in der Schwimmhalle. Hören Sie mir zu?
Vielleicht gibt es kein Mikrophon.
Im Keller stehen die Globen. Der dritte Globus flackert, und zwei sind schon verloschen.
Ich weiß, ich müsste nur hinausgehen, um neue Glühbirnen zu kaufen. Manchmal stolpere ich, wenn ich um das Schwimmbecken gehe. Früher bin ich nie gestolpert. Bald werde ich das vergessen, so wie ich die anderen, Frau Karpfe, den Hausmeister, Klaus, auch meine Mutter, Cremer, seine Tochter für eine Weile vergessen hatte, und das Schwimmbecken liegt leer vor meinen Augen.
Eine Zeit lang hatte alles seine Ordnung: Ich bin hierher zurückgekehrt. Die Welse waren nicht gestorben. Meinen Globus habe ich gefunden, noch drei dazu. Hätte ich die Öfen nicht geheizt, so wären die Leitungen geplatzt. Es bleibt etwas von den Menschen zurück, im ganzen Gebäude, an den Wänden; der Atem, eine zufällige Berührung der Hand, Lachen, ein Ruf, eine Geste. Ein Gebäude verkommt, wenn keiner sich darin befindet. Man kann mir keinen Vorwurf machen. Sie lassen es verfallen. Aber schon vorher wird alles verloren sein. Nicht einmal der Verfall bleibt übrig.
VII
Es wird kälter.
Draußen dämmert es gerade. Heute Abend werde ich die letzten Kohlen verbraucht haben.
Die beiden Globen, die verloschen sind, habe ich in den Werkzeugraum getragen, die beiden anderen stehen jetzt links und rechts von dem Aquarium, in dem die Welse sehr langsam hin und her schwimmen, und ihre Barthaare schleifen auf dem Grund.
Heute nacht habe ich mich hingelegt, ohne mich auszuziehen. Ich habe keine sauberen Kleider zum Wechseln, ich werde mich nicht mehr rasieren. Heute Nacht dachte ich daran, bei Cremers Kiosk vorbeizugehen; er wüsste, wie ich meine Wohnung öffnen lassen könnte. Als meine Mutter vor einigen Wochen gestorben ist, hat er mir geholfen. Man hat sie in der Wohnung in einen Sarg gelegt, und Cremer hat den Kopf geschüttelt, weil die Urne anonym begraben werden sollte. Die Fische hat Klaus hiergelassen. Einer der Fische war sehr leicht, weil er vertrocknet ist, er liegt im Schwimmbecken, etwa da, wo der Nichtschwimmerbereich in den Schwimmerbereich übergeht.
Cremer würde mich nicht erkennen. Die Hemden und meine Jacke sind schwarz von Kohlenstaub, wenn ich mein Gesicht betaste, dann ist es rau und mager, und ein Bart ist mir gewachsen. Auch den Toten wachsen noch die Haare. Wenn man Flockungsmittel ins Wasser tut, dann sammeln die Haare sich zu kleinen Klumpen. Guten Morgen, Hugo, hat Cremer morgens gesagt, aber ich habe keinen Namen mehr. Ein Obdachloser, müsste er denken, und ich würde weitergehen. Noch einmal laufe ich nicht durch die Stadt, meine Lederschuhe sind verkratzt, selbst die Sohlen der Turnschuhe schon dünn. Ich gehe nicht durch den Gang in die Eingangshalle und an den Spiegeln vorbei.
Ich bin der Bademeister. Ich habe nie viel gesprochen. Die Kohle geht zu Ende, schon ist ein Ofen ausgegangen, es dauert nicht mehr lange, dann verlischt das Feuer auch im zweiten Ofen, noch heute, heute Abend. Es ist schon kühler.
Vorhin glaubte ich, es klopfe einer an die Tür.
Ich hatte gerade festgestellt, dass für den zweiten Ofen die Kohle nicht mehr reicht.
Hatte beschlossen, alles gehen zu lassen, wie es will. Dass ich nicht mehr hinaufgehen würde in die Halle.
Im Keller ist es dunkel. Nur das bläuliche Licht der Globen erhellt den Raum, Licht von zwei Globen. Zwei sind verloschen, und der dritte
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