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Der Bademeister: Roman (German Edition)

Der Bademeister: Roman (German Edition)

Titel: Der Bademeister: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Katharina Hacker
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Heizungskeller verbinden. Man hätte es zu spät entdeckt. Die Leichen und ihr Gestank hätten die Straße und die Stadt verpestet. Dies ist das Volksbad, und keiner kennt es so genau wie ich. Jetzt sind es sieben Tage, die ich hier oben auf und ab gehe. Hören Sie? Die Wasseroberfläche wirkte jeden Morgen glatt und unberührt. Danach kamen die Badegäste, wühlten das Wasser auf, man konnte nichts erkennen. Aber von ihren Körpern bleibt etwas im Wasser zurück, ein schwacher Geruch, und wer sich damit nicht auskennt, spürt ihn nicht hinter dem Chlorgeruch. Schwacher Geruch, der an den Wänden haftet, winzige Teilchen, die all die Menschen tagein, tagaus zurückgelassen haben, ohne es zu wissen.

    Der eine Ofen ist schon kalt, der andere wird bald verlöschen, den dritten habe ich nie gebraucht. Wenn kein Wasser da ist, muss man es auch nicht heizen. Ich habe nicht geschlafen heute Nacht, die Fische schwimmen hin und her, sie stocken, wenn der Globus flackert. Zwei Globen stehen so dunkel da, als würde es nie mehr Tag. Nachts lag ich wach auf der alten Pritsche, die ich in den großen Raum getragen habe, weil ich die kleine Kammer nicht ertrage. Das Licht schalte ich nicht mehr ein, allenfalls im Bad, das keine Fenster hat. Ich habe mich seit Tagen nicht rasiert. Nicht einmal Cremer würde mich erkennen.
    Seit ich hierher zurückgekehrt bin, habe ich für alles gesorgt, habe mich tagsüber in der Schwimmhalle aufgehalten und bin hinunter in den Keller gegangen, um die Fische zu füttern, die Öfen zu heizen. Und wenn es dunkel war, bin ich hinausgegangen, um Essen einzukaufen, Fischfutter, und auch Klebstoff für die abgelöste Kachel habe ich gekauft. Nur die erste Zeit bin ich zum Schlafen in die Wohnung zurückgekehrt, dann habe ich eine Decke hierhergebracht und was ich an Kleidern brauchte. Von Einbruch kann nicht die Rede sein. Die Wohnung ist jetzt versiegelt, ich gelte als verschwunden, ich kann nicht mehr dorthin zurück. Man kann mir keinen Vorwurf daraus machen. Zum Seiteneingang hatte ich den Schlüssel, und mein alter Globus war im Heizungskeller. Die Namen und die Grenzen stimmen nicht. Aber man erkennt genau, dass zwei Drittel der Erde Wasser sind. Absichtlich hat man mir befohlen, das Wasser abzulassen. Das Schwimmbad ist geschlossen, und auch die Wannenbäder sind nicht mehr in Betrieb. Ein Placken Putz ist aus der Wand gebrochen. Ich glaube nicht mehr, dass es ein Zufall war. Vor sechs Tagen ist es zum zweiten Mal passiert: ein Placken Putz, knapp oberhalb eines der Pfeiler, so wie beim ersten Mal, als ich nicht in der Halle war, der Hausmeister rasch zusammenkehrte, was an grobem Dreck am Beckenrand zu liegen kam, und zwischen Mörtel und Eisenstangen erkennt man schwarze Leitungen. Gemauert wäre das Gebäude, glaubte ich, aus Stein oder aus Ziegeln, aber das ist nicht wahr.
    Als es zum zweiten Mal passierte, habe ich den Dreck zusammengekehrt und ohne nachzudenken hinuntergetragen, den Blecheimer in den Ofen ausgeleert. Ein Spitzel, sagte Klaus und wies auf den Hausmeister. Schon früher hat man versucht, mich auszufragen. Aber sie können mir nicht drohen. Ich wollte niemals Bademeister sein.

    Beim Licht des Globus habe ich nachts gelesen, damit es niemand merkt. Wollten Sie nicht studieren? fragten sie voller Hohn, fragten nach meinem Vater, später dann nach dem alten Bademeister. Was haben Sie gesehen? Ich habe nichts gesagt. Habe nie viel gesprochen, und als sie von mir verlangten, die Badegäste zu belauschen, habe ich nicht geantwortet.
    Die Grenzen stimmen nicht, die Namen stimmen nicht. Hören Sie mich? Die Bücher sind schon lange fort, der Globus auch, jetzt steht die Wohnung leer, meine Mutter ist gestorben. Ich habe immer dort gewohnt, mein Vater hat sich aufgehängt, er hatte seine Gründe, war nur der letzte Tote in seinem eigenen Leben, die anderen erschossen, es gäbe Fotos, hat man uns gesagt, und meine Mutter leerte Kisten aus und stellte an die Tür, was ich zum Müll hinuntertragen sollte, so wie der Globus an der Tür stand; die Grenzen stimmen nicht, behauptete sie. Meine Bücher waren da schon weg, du brauchst sie nicht, hat sie zu mir gesagt, ich habe in der Wohnung nur geschlafen und sonst nichts, jetzt ist sie von der Polizei versiegelt, ich kehre nicht dorthin zurück.
    Nichts weiter als der Verfall, ein Gebäude, das zerfällt, ver-lassen ist, als wäre niemals jemand hier gewesen. Hören Sie? Am Ende gehen die Sätze, die Sätze auf den Warntafeln, verloren. Nur

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