Der Bademeister: Roman (German Edition)
kürzester Zeit wieder ruhig. Die Leute glauben, der große Schrecken wäre, dass etwas passiert, dabei ist es umgekehrt. Selbst wenn ein Badegast ertrunken wäre, hätte sich die Ordnung bald wiederhergestellt. Es genügt, dass keiner darüber redet. Ich wäre vielleicht entlassen worden, aber schon nach ein paar Tagen hätte sich keiner mehr damit aufgehalten: ein Badegast weniger, ein neuer Bademeister, ein Kopfschütteln oder Zusammenschlagen der Hände, ein kurzer, neugieriger Glanz in den Augen, das ist alles. Die Leute bleiben trotzdem stehen, weil die Ampel auf Rot schaltet, und wenn ihnen ein Handschuh herunterfällt, bücken sie sich, um ihn aufzuheben. Wer denkt, alles habe sich verändert, täuscht sich. Die Tage vergehen einer nach dem anderen, keiner sagt etwas, und wer weiterhin behauptet, ein Unglück sei geschehen, dem bleibt die Zeit stehen, und kein Tag will ihm mehr vergehen.
Die Uhr ist kaputt, und ich werde nicht schweigen. Die Stille ist schrecklich, die Stunden, Tage werden immer länger, sie verlieren die Richtung wie Pferde, die mit geblendeten Augen im Kreis gehen, um Eimer aus einem Brunnen hochzuziehen. Cremer hat es mir aus einer Zeitschrift vorgelesen, als ich ihm erzählte, ich müsste das Wasser aus dem Becken ablassen. Um einen Brunnen gehen die Pferde im Kreis, um die Eimer mit Wasser heraufzuziehen, und weil sie nichts sehen, stört es sie nicht, hat Cremer erklärt und mir ein Foto gezeigt.
Blinde Pferde gehen so im Kreis, aber das Becken ist schon leer, längst ist das Wasser abgelassen. Ich selbst habe es abgelassen, drei Tage hat es gedauert, und zuerst hat man die Veränderung des Wasserspiegels nicht bemerkt, obwohl ich den Abfluss selbst geöffnet hatte, lief ich noch einmal hin, um nachzusehen, denn der Wasserstand schien gleich zu bleiben, und es war kein Laut zu hören. Das Wasser fließt lautlos ab. Die Pferde gehen immer weiter, weil sie es nicht anders kennen, und auch wenn der Brunnen leer ist, halten sie nicht an und ruhen sich nicht aus, und kein Tag unterscheidet sich vom anderen.
Weil ich nicht sehen konnte, ob der Wasserspiegel sinkt, umkreiste ich das Becken, umrundete es, ging von einem Pfeiler zum nächsten, am Ausgang unter der Galerie mit den Löwen vorbei, die lange Seite entlang zu der muschelförmigen Nische unter dem großen Lichtbogen und immer weiter im Kreis, vorbei an den Auskleidekabinen, ein Klepper, der aus Gewohnheit nicht stehen bleibt, nicht stirbt, selbst tot noch weitergehen würde, angeschirrt, blind, so wie ich auch jetzt noch um das leere Becken laufe.
Die Tage, die ich hier allein verbracht habe, sind lautlos vergangen, und sie dehnen sich wie Jahre. Früher waren hier immer Leute, immer Stimmen. Ich habe kein lautes Wort gesagt, was hätte ich denn sagen sollen? Stattdessen murmelte ich leise vor mich hin, selbst dann noch, wenn ich müde war, weil ich die Stille nicht ertrug. Die Zeit vergeht ja nicht.
Jetzt ist es mir gleich, ob mich einer hört. Ich werde nicht schweigend darauf warten, dass man das Volksbad abreißt und nur eine Anweisung bleibt: Stellen Sie sich in die Mitte des Beckens. Versuchen Sie nicht, den Kopf mit Ihren Händen zu schützen. Warten Sie auf das Geräusch der Abrissbirne. Sie brauchen sich nicht zu sorgen: das Dach wird zuerst einstürzen.
Auch am Anfang meiner Arbeit hier bin ich oft gestolpert. Wann es nur möglich war, schlüpfte ich aus den Badesanda-len und zog statt ihrer Turnschuhe an. In Badesandalen aus Plastik oder Holz stolpert man leicht, man muss erst lernen, mit der Fußspitze den restlichen Fuß und Schuh hinter sich herzuziehen. An die entsprechenden Bewegungen gewöhnt man sich und an die passende Geschwindigkeit, da man in Badeschuhen nicht weiter läuft als um das Schwimmbad.
Nur draußen auf der Straße bin ich schnell gegangen, die kurze Strecke zwischen Wohnung und Schwimmbad, nach meiner Entlassung dann stundenlang und durch die ganze Stadt. Die Straßenschuhe, die ich in meiner Zeit als Bademeister nie benutzt hatte, sind durchgelaufen. Als Kind wäre ich dafür bestraft worden, denn mein Vater erwartete von mir, dass ich die Schuhe schone, und als er sich aufgehängt hatte, hingen seine Schuhe mit neuen Sohlen in der Luft.
Die Kollegen habe ich nur ungern in der Schwimmhalle geduldet, wünschte nicht, dass sie hereinkommen mit ihren Blicken, die immer heimliche Absichten hatten, immer bereit, jemanden auszulachen, jemandem aufzulauern, wie sie mir vielleicht noch jetzt
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