Der Bär
ideale Besetzung für das Bauernstück.
Dann zogen wir beide unter dem Grinsen meiner Mannschaft vorne aus dem Haupteingang raus, und ich hörte noch, wie Karl-Heinz Kirwel versicherte: »Ich habe mitgezählt. Der alte Mann kam heute zum dreißigsten Mal!«
Dann ging es die Leopoldstraße runter zum Tabakwarenladen. Es gab Stumpen. Welche zu fünfzig und welche zu achtzig. Juppes nahm drei zu achtzig und verstaute sie sorgfältig in der Brusttasche seines Anzuges, der wahrscheinlich um 1960 in Südchina genäht worden war. Dann rauschte Emma heran, und ich sagte: »Da kommen meine Freunde. Wir wollen in Büscheich mit dir reden. Du kannst mit uns fahren.«
Er wurde misstrauisch, er blinzelte, er hatte ein Problem. »Wieso denn reden?«
»Uber alte Zeiten, Juppes. Als du ein Junge warst. Ich suche nämlich einen Mörder!«
»Einen wat?«
»Einen Mörder«, sagte ich. »Du weißt, Tutut.«
»Ach, der.« Er betrachtete Emma und Esther und Rodenstock. »Ja, wenn du meinst.«
Er durfte vorn neben Emma sitzen, die so behutsam fuhr, als sei er ein Schwerstpflegefall.
»Ja, der Tutut. Das soll ein netter Kerl gewesen sein. Ich habe ihn ja nicht mehr gekannt. Er wurde ja vorher also er starb ja schon vor meiner Geburt.«
»Das wissen wir. Aber was haben die Leute erzählt?«, fragte Rodenstock.
»Viel!«, sagte er bedeutsam mit Ausrufezeichen.
»Gibt es ein Grab?«, fragte ich.
»Ja«, antwortete er schlicht. »Aber das sieht man nicht.«
»Aber du weißt, wo es ist?«
Er sah mich an, und er sagte: »Ich wusste doch, dass irgendwann jemand danach fragen würde. Ich weiß es. Aber niemand darf was erfahren.«
Eine Weile herrschte Schweigen.
»War es Berthold Schmitz?«, fragte Emma.
»Der doch nicht. Nein, nein.«
»War es der Bauer Hansen?«, fragte Rodenstock.
Der erstaunliche alte Mann sagte: »Also, ich bin da nicht für. Der Hansen war es nicht. Dem war die Maria doch egal, oder?«
»Dem war die Maria ganz egal!«, nickte Emma. »Auf wen tippt ihr denn?«
»Wir tippen gar nicht«, sagte Rodenstock gemütlich. »Wir brauchen deine Hilfe.«
»Na ja, mal gucken.« Er drehte sich halb zu mir rum. »Wenn der Lappes was sagt, werde ich wild.«
Esther kicherte.
Der Lappes war nicht mehr da, dafür seine Tochter, die mit irgendeiner Nachbarin redete. Er stieg aus und ging hoheitsvoll an ihr vorbei. Sie krähte wütend: »Na, haste endlich begriffen, dass da gar kein Konto mehr ist?«
Er zog die Stumpen aus der Brusttasche und das Restgeld aus der Hosentasche. Er hielt ihr beides hin und sagte: »Red du nur!« Dann ging er ins Haus. In der Tür drehte er sich herum und sagte: »Koch uns einen schönen Kaffee. Ich habe eine Besprechung.« Ehe sie platzen konnte, murmelte Emma hastig: »Also, in dem Punkt hat er recht. Es ist eine Besprechung.«
»Und woher hat er das Geld?«, fragte die Tochter schrill.
»Von der Bank«, sagte ich. »Wo ist denn sein Zimmer?«
»Oben rechts. Wir haben gedacht, von da oben kommt er nicht mehr weg. Aber er klettert auf den Pflaumenbaum rüber und ist weg.« Sie hatte einen runden Mund vor Empörung. »Da machste was mit, da machste was mit.«
»Wie alt ist er denn?«, fragte Rodenstock.
»In vier Jahren hundert. Aber dann bin ich tot, dann hat er mich geschafft.«
»Richtig süß«, strahlte Esther.
Es dauerte noch eine gute halbe Stunde, ehe wir uns um Juppes' Tisch versammeln konnten, denn seine Tochter wollte nicht glauben, dass es eine Besprechung war. Und sie wollte nicht glauben, dass wir sie nicht dabeihaben wollten. Schließlich wurde es richtig feierlich. Rodenstock räusperte sich ausgiebig.
»Es ist so, dass wir gern herausfinden wollen, wer nun eigentlich Tutut umgebracht hat. Und wie das damals war. Und wie es in den Jahren danach ablief. Und da haben wir erzählt bekommen, dass du das alles weißt oder jedenfalls viel gehört hast. Fang doch mal an und erzähl uns, was der Tutut denn für einer war.«
»Also, der war ja wohl ein Zigeuner. So manches habe ich im Laufe der vielen Jahre über diese Geschichte gehört. Kein Mensch wusste, wo der eigentlich zu Hause war. Mal sagte einer Euskirchen, dann wieder einer Aachen, dann wieder einer Trier. Tutut hat das auch wohl nie erzählt. Also, ich nehme mal an, er überwinterte da, wo er ein Quartier fand. Bei einem Bauern im Heu oder so. Und arbeiten konnte der ja wie der Teufel.«
»Da fällt mir ein, dass er wahrscheinlich nicht viel über sich redete, oder?« Rodenstock lächelte Juppes an.
»Genau. Die
Weitere Kostenlose Bücher