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Der Bär

Der Bär

Titel: Der Bär Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jacques Berndorf
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Sie es raus, Mann, ich liebe solche Geschichten. Ich könnte davon leben, ich kann ohne so was überhaupt nicht leben. Also, da war mal ein Paar im Miramar auf Santo Domingo, und jeder sagte: Na ja, die sind nur hier, um mal in Ruhe miteinander zu schlafen. Aber: Essig! Die waren sogar regulär verheiratet, hatten sich nur fünfzehn Jahre nicht gesehen, und ... «
    »Esther, Liebes«, murrte Emma heftig.
    »Also bitte, ich halte den Mund, ich sag überhaupt nichts mehr.« Und dann, honigsüß mit einem Augenaufschlag, der einem Eskimo tropische Hitzeschauer verursacht hätte: »Also, mein Lieber, wer liebte da wen, und wer machte wem ein Kind, und wieso wusste das Tutut?«
    Wir mussten alle lachen.
    Rodenstock fing sich als Erster: »Also, der Richter. Wie hieß der doch noch?«
    Merkwürdigerweise starrten sie mich alle gleichzeitig an, weil ich wohl als Einziger mit einem funktionierenden Kurzzeitgedächtnis ausgestattet war. »Es waren zwei Männer«, erinnerte ich sie. »Der Medizinalrat Dr. Xaver Manstein, zum Zeitpunkt des Ereignisses ungefähr vierzig, sowie der Richter Severus Brandscheid, gebürtig aus Trier, Hobbygeologe, Alter unbekannt. Und Mattä Juppes hat gesagt, dass ein weiterer der Täter sein könnte. Der Mann heißt Karl-Heinrich Wesendonker und war als preußischer Steuereintreiber wahrscheinlich eine Schlüsselfigur. Schlüsselfigur deswegen, weil zur damaligen Zeit nahezu jeder Eifler dem Staat Steuern schuldete und dieser Wesendonker dauernd herumfuhr, um diese Steuern einzutreiben oder es wenigstens zu versuchen. Dieser Wesendonker lebte in Gerolstein oben an der Burg im Haus des Schniggers, also des ehemaligen Schneiders. Und verheiratet war er mit einer als Drache bezeichneten Frau. Ob der Arzt und der Richter verheiratet waren und Familie hatten, wissen wir nicht. Das ist die Besetzung, Leute, darauf müssen wir uns konzentrieren. Gibt es in Gerolstein, Herr Schmitz, über diese Leute Akten?«
    »Todsicher«, nickte Schmitz. »Jetzt rufe ich meine Tochter an, jetzt will ich Klarschiff.« Dann hielt er unvermittelt inne und fragte: »Es geht doch wohl auch darum, dass Sie hier ein höchst vergnügliches Spiel treiben, nicht wahr?«
    »Sehr richtig«, nickte Emma. »Das ist das Spiel des Lebens. So läuft es in Somalia, auf Labrador und auf den Fidschi-Inseln. Das macht Lust, nicht wahr?«
    »Das macht Lust«, nickte er. »Das habe ich nie vorher begriffen. Ich werde mich um die Akten bemühen. Und jetzt um meine Tochter.«
    »Hey«, murmelte Esther ganz leise, »das ist ja ein irres Spiel. Rekonstruktion einer Liebesgeschichte vor hundertelf Jahren.«
    »Du darfst Ehrfurcht zeigen«, sagte ich. »Es waren Menschen, richtige Menschen.« Schmitz kam wieder heran und murmelte gedankenverloren: »Ich werde mit meiner Tochter reden müssen. Ziemlich lange. Sie hat geheult. Nicht, weil sie Kummer hat, sondern weil sie keinen mehr hat. Bis demnächst, ich melde mich.« Dann ging er zu jedem in der Runde und reichte ihm die Hand, das wirkte sehr befreiend.
    »Wir brauchen so schnell wie möglich die Personalien«, mahnte Rodenstock.
    »Mich interessiert dieser Hansen-Hof, dieser Hexenhof«, sagte Emma. »Ja, und mich interessiert, wer denn da eine Liebesgeschichte hatte.«
    Schmitz fuhr vom Hof, und wir fühlten uns ein wenig mutlos, weil wir nichts unternehmen konnten, was den Fall vorantrieb. Nur Rodenstock schien diese Leere nicht zu teilen. Er teilte lapidar mit: »Da kommt heute Nachmittag noch ein Doktor Klaus, Pathologe. Er nimmt Tutut mit. Es wird nicht viel helfen, aber vielleicht erfahren wir etwas.«
    »Dann ist da noch etwas«, sagte ich. »Ihr habt alle ein so verdammt schlechtes Gedächtnis. Erinnert euch daran, dass wir den Hinweis bekommen haben, dass auch der Gerolsteiner Apotheker sehr viel in dieser Gegend unterwegs war. Weil er nämlich so etwas wie der Viehdoktor gewesen ist. Wir haben keinen Namen.«
    »Du bist ein Perfektionist«, flötete Esther allerliebst.
    »Das liebe ich an den oberflächlichen Leuten«, entgegnete ich. »Sie hassen alles, was mit der Aussicht auf viel Arbeit zu tun haben könnte.« Dann sah ich, dass ihr Gesicht die Farbe wechselte, und geriet etwas ins Stottern. »Tut mir leid, verdammt noch mal, aber du hast eine wirklich viel zu schnelle Schnauze.«
    »Höre ich da verdeckten Jubel?«, fragte Emma.
    Dann rief Frings an. Jupp Frings, hoffnungsvoller Aufsteiger bei den Christlichen, vorher ein Versuchslauf bei den Freien Demokraten, in der Jugend im

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