Der Bär
Wanderschuhe gekauft.«
»Die? Die haben doch richtig Geld gekostet, die kann ich doch nicht bei so einer Sauerei anziehen.«
»Zieh sie an oder lass es sein.«
Sie zog sie an, wälzte beachtliche Brocken von einem halben Zentner aus dem Haufen, wuchtete sie an die Sackkarre und erklärte mir genau, wo welcher Stein zu liegen hätte, weil meine Art, die Teichumrandung zu gestalten, von der Farbwahl her langweilig und im Grunde beschissen sei. Sie ging sogar so weit, vier oder sechs Brocken aus der Reihe schlichtweg zu entfernen und für eine andere Position vorzuschlagen, weil das ein besseres Design mache und überhaupt die Leute in der Eifel für Gartengestaltung absolut keine Nase hätten. Es machte richtig Spaß.
Meine Kater Paul, Willi und Satchmo lagen unter der Birke, leckten sich gegenseitig ab und betrachteten ihren Herrn mit der unendlichen Arroganz Eifler Scheunenkatzen. Es hätte mich nicht gewundert, sie hemmungslos kichern zu hören.
Dann kam die elegante Karosse des Schmitz aus Gerolstein auf den Hof gerollt, Tessa und ihr Vater stiegen aus, gefolgt von dem unvermeidlichen Ingbert, dessen Miene mal wieder ausdrückte, dass er mit alldem im Grunde nichts zu tun hatte. Sie kamen im Gänsemarsch in den Garten, Schmitz ließ sein Jackett adrett auf den grünen Rasen fallen und erklärte: »Also die Personalien der Beteiligten machen keine Schwierigkeiten. Aber andere Ereignisse, wie zum Beispiel Tututs Tod, sind nicht belegt. Unterlagen darüber sind bei den letzten Fliegerangriffen im Januar 1945 verschütt gegangen. Der Steuereintreiber Karl-Heinrich Wesendonker war mit einer Frau namens Florie verheiratet. Er war zum Zeitpunkt von Tututs Tod genau vierzig Jahre alt, seine Frau zweiunddreißig. Sie hatten keine Kinder. Der Medizinalrat Dr. Xaver Manstein war sechsundvierzig Jahre alt, verheiratet, drei Kinder. Die Frau hieß Marie. Der Richter Severus Brandscheid war Junggeselle. Ich muss betonen, dass weitere Unterlagen nicht vorhanden sind, jedenfalls nicht im Archiv der Stadt. Es scheint nichts zu geben.«
»Wenn wir uns auf mündliche Übertragungen verlassen, sind wir im Eimer«, sagte Rodenstock ruhig.
»Da gibt es jedoch einen Hinweis«, sagte Ingbert trocken. »Erinnern wir uns: Der Bauer Berthold Schmitz wandert mit seiner Familie in die Vereinigten Staaten aus. Ein Sohn von ihm kommt zurück, geht allerdings nicht nach Pelm oder Rockeskyll oder Gerolstein zurück, sondern nach Hillesheim. Dies ist Punkt Eins meiner Überlegungen. Zweitens wissen wir noch etwas anderes: Da existiert der Hexenhof eines Bauern namens Hansen. Der hat eine Frau namens Maria. Wir wissen, dass diese Frau etwa um die dreißig Jahre alt ist und eines Tages, wann wissen wir nicht, verschwindet. Nach unseren Befragungen besteht die Möglichkeit, dass diese Frau nach Köln ging. Möglicherweise, um ihr Brot als Nutte ... äh, Dirne, zu verdienen. Und nun der Fakt. Der Bauer Berthold Schmitz hat einen Brief an den Pfarrer in Gerolstein geschrieben. In dem ist die Rede von einer Frau namens Maria Hansen aus Rockeskyll, die in der Gegend von Chicago auftaucht, sehr zur Verwunderung des Berthold Schmitz. Und ... «
»Wo ist der Brief?«, fragte ich schnell.
»Hier«, sagte er. »Eine Kopie, aber immerhin ein einwandfreies Dokument.«
»Und wieso hast du uns nichts gesagt?«, schrillte Tessa.
»Weil ich arbeiten, nicht diskutieren will«, sagte er unendlich sanft mit dem Lächeln eines Chorknaben. »Und noch etwas: Es ist die Rede von einem weiteren Brief, den die Familie des Sohnes von Berthold Schmitz immer noch im Besitz haben soll. Angeblich hängt dieser Brief in der guten Stube einer Familie in Hillesheim, die jetzt Schauster heißt und irgendwie in der grauen Vorzeit mit den Schmitzens verwandt war.«
»Schauster? Ben Schauster?«, fragte ich.
»Richtig. Ben Schauster«, nickte er.
»Gastronom in Hillesheim, Besitzer des Teller«, erklärte ich. »Diese Welt ist verdammt klein.«
»Dann ist da noch etwas«, sagte Vater Schmitz. »Es ist richtig, dass die meisten geschichtlichen Dokumente der Stadt Gerolstein im Zweiten Weltkrieg vernichtet wurden. Aber es ist auch richtig, dass ein Lehrer namens Adam Wölber eine Abschrift aller wichtigen Dokumente der damaligen Zeit anfertigen ließ, weil er eine Stadtgeschichte schreiben wollte. Die Stadtgeschichte des Adam Wölber wurde niemals gedruckt, irgendwie ist er mit dem Buch nicht fertig geworden. Aber alle seine Manuskripte und die Abschrift der Dokumente sind
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