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Der Bär

Der Bär

Titel: Der Bär Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jacques Berndorf
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dem Ergebnis ausgelagert, dass er dort vernichtet wurde. Was Geschichte betrifft, so ist Gerolstein fast geschichtslos.«
    »Aber warten ist langweilig«, sagte er. »Darf ich mal deine Wale füttern?«
    »Aber sicher doch.«
    Also fütterte er die Fische im Teich und sah ihnen zu, wie sie brav angeschwommen kamen, um entgegenzunehmen, was ihnen geboten wurde.
    »Hier sitzt eine dicke Kröte im Schlamm.«
    »Du kannst sie Aloysia nennen. Sie macht Männchen und kann bis zehn zählen. Außerdem hat sie drauf, dir einen LBS-Vertrag anzudrehen, ach ja, und sie kann täuschend ähnlich eine Nachtigall nachpfeifen. Nur so hoch fliegen kann sie noch nicht. Aber das wird noch. Eigentlich wollte ich fragen, wie es mit deinem Tumor so geht.«
    »Schlecht, er kommt nicht voran. Im Ernst, er ist verschwunden, kein Mensch weiß wohin, und das ist gut so.« Er lachte.
    »Dann wollte ich noch etwas fragen. Wie geht es eigentlich deiner Tochter?«
    Er spitzte die Lippen, dann machte er sie breit. »Ich weiß es nicht. Und ich weiß auch nicht, ob ich das überhaupt wissen will. Ihr Mann hat sich gemeldet, aber das hatte keine Weiterungen.«
    »Was ist denn das für ein merkwürdiges Deutsch? Keine Weiterungen? Was heißt das?«
    »Er hat versucht, mich anzupumpen.«
    »Dann ist der Ausdruck richtig. Hast du ihm in den Arsch getreten?«
    »Ein bisschen. Nicht allzu sehr. Ich weiß ja, dass meine Tochter ihn vorgeschickt hat. Und das Blöde ist, dass ich ihnen selbstverständlich Geld pumpen könnte, ich habe ja genug. Aber ihnen nur ins Blickfeld zu geraten, wenn sie Zaster brauchen, ist ein beschissenes Gefühl. Emma sagt, sie könnte ihnen wortlos Geld anreichen, ich dürfte das aber nicht.«
    »Was soll das?«
    »Meine Tochter hat Emma noch nie gesehen, hat sich nicht vorgestellt, hat uns nicht besucht. Emma sagt: Wenn Geld ein Grund ist, bei Emma vorbeizuschauen, wird sie ihnen das Geld schenken und sie zum Tempel hinausjagen. Emma hat schließlich noch mehr von dem Zeug, viel mehr sogar. Und eigentlich wissen wir nicht, was wir mit der Erbschaft machen sollen.«
    »Du könntest mich adoptieren«, schlug ich vor.
    »Das geht nicht. Deine Erziehung ist total versaut worden, da ist nichts mehr zu machen. Ich mache uns mal Eier mit Speck.« Er stand auf und ging ins Haus.
    Ich wusste, er war getroffen, ich wusste genau, er hatte Kummer mit dieser Tochter und würde immer Kummer mit ihr haben. Irgendetwas war in einem anderen Leben total schiefgelaufen, und er konnte es nicht reparieren. Ich wusste auch, dass er sie aus der Klinik angerufen hatte, als der Krebs entdeckt worden war. Sie hatte sich verweigert, sie war nicht gekommen. Das hatte ihn schwerer getroffen als die Krankheit.
    Er hatte eine Riesenpfanne gemacht, er schleppte sie auf den Tisch. »Es sind sechs Eier und ein knappes ... na ja, ein bisschen mehr als ein Viertelpfund magerer Speck. Ich denke, das muntert uns auf, das hilft uns auf die Gäule, das treibt uns voran. Und Kaffee habe ich auch.«
    Wir futterten nach Leibeskräften, schafften die Pfanne aber nicht. Dann schrillte mein Handy, und jemand sagte: »Ich weiß, es ist unanständig früh, aber jetzt hätte ich Zeit. Und, verstehen Sie bitte, es ist sehr wichtig für mich.«
    »Dann kommen Sie jetzt her«, sagte ich munter und unterbrach die Verbindung. »Tessas Vater kommt.«
    »Das ist gut«, freute sich Rodenstock. »Auf den alten Bock bin ich gespannt. Ich werde ihn schlachten.«
    Dann, wenig später, rollte ein Siebener BMW auf den Hof, und ich sagte laut: »Hier im Garten spielt die Musik.«
    Er war ein sehr adretter Mittfünfziger, und im Grunde war bei seinem Anblick klar, weshalb Tessa so hübsch geraten war. Er trug einen beigefarbenen Anzug aus Seide, und seine Krawatte war ein schreiend blauer Strich. Dazu natürlich handgenähte, dunkelbraune Slipper.
    »Wollen Sie Eier mit Speck?«, fragte Rodenstock und stellte uns vor.
    »Ein Happen wäre nicht schlecht«, nickte er. Er war sehr sicher und gelassen. Er aß mit großem Vergnügen, trank sehr schnell zwei Tassen Kaffee und sagte lächelnd: »So lässt es sich leben.« Er hatte ein hageres, sonnengebräuntes Gesicht, seine Augen waren von einem irritierend strahlenden Blau. Das Erste, was ich dachte, war: Tennisspieler.
    »Vielleicht darf ich kurz vortragen, was ich will und meine?« Er war sachlich, er verzettelte sich nicht, er war einer der Männer, mit denen Zusammenarbeit aus reinem Professionalismus gut sein würde.
    »Einverstanden«, sagte

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