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Der Ball spielende Hund

Der Ball spielende Hund

Titel: Der Ball spielende Hund Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Agatha Christie
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erzählte uns, dass Bob, der Terrier, sie verachtete. Jeder Einzelne sah sie von einem etwas anderen Gesichtspunkt. Über Charles Arundells moralische Eigenschaften herrscht Einmütigkeit, aber die Ausdrucksweise ist verschieden. Doktor Grainger nennt ihn nachsichtig einen Draufgänger. Miss Peabody erklärt, er würde seine Großmutter wegen ein paar Pfund umbringen, zieht aber einen ‹Charmeur› offenkundig einem langweiligen Menschen vor. Miss Tripp deutet an, dass er eines Verbrechens fähig wäre, ja dass er eines begangen hat, oder mehr als eines. Diese Schlaglichter sind alle interessant und nützlich. Sie führen zu unserem nächsten Schritt.»
    «Nämlich?»
    «Uns selbst zu überzeugen, mein Freund.»

13
     
    Am folgenden Morgen machten wir uns auf den Weg nach Chelsea. Ich hatte Poirot einen Besuch beim Rechtsanwalt, Mr Purvis, vorgeschlagen, aber er war entschieden dagegen gewesen.
    «Nein, mein Freund. Unter welchem Vorwand könnten wir ihn ausholen?»
    «Sie sind doch sonst so erfinderisch, Poirot. Irgendeine abgedroschene Lüge würde genügen.»
    «Bei einem Rechtsanwalt nicht, lieber Freund. Wir würden höflich hinauskomplimentiert.»
    «Das», antwortete ich, «wollen wir lieber doch nicht riskieren.»
    Theresa wohnte in Chelsea in einem Häuserblock, der auf die Themse sah. Die Wohnung war teuer und ganz modern eingerichtet: schimmernder Chromstahl und dicke Teppiche mit geometrischen Mustern.
    Wir mussten einige Minuten warten, dann trat die junge Frau ein und sah uns fragend an.
    Theresa Arundell war etwa achtundzwanzig, groß, sehr schlank und sah aus wie eine stilisierte Schwarz-Weiß-Zeichnung aus einem Modeblatt. Ihr Haar war pechschwarz, ihr Gesicht war stark geschminkt und totenbleich. Die Augenbrauen, übertrieben ausgezupft, verliehen ihren Zügen etwas Spöttisches. Nur die Lippen hatten Farbe, eine leuchtend scharlachrote Wunde in einem weißen Gesicht. Sie wirkte – wie es kam, weiß ich nicht – doppelt so lebendig als andere Menschen, obwohl sie sich mit müder Gleichgültigkeit gab.
    Poirot hatte seine Karte hineingeschickt. Theresa drehte sie zwischen den Fingern.
    «Sie sind Monsieur Poirot?»
    «Ihnen zu Diensten, Mademoiselle», antwortete er mit einer Verbeugung. «Darf ich Ihre kostbare Zeit für einige Minuten in Anspruch nehmen?»
    Seinen Tonfall nachahmend, antwortete sie: «Mit größtem Vergnügen, Monsieur. Bitte, nehmen Sie Platz!»
    Vorsichtig ließ er sich in einen niedrigen, viereckigen Fauteuil sinken; ich wählte einen Stuhl aus Gurten und Chromstahl. Theresa setzte sich auf einen Hocker vor dem Kamin. Sie bot uns Zigaretten an und zündete sich selbst eine an, nachdem wir abgelehnt hatten.
    «Mein Name ist Ihnen vielleicht bekannt, Mademoiselle?»
    Sie nickte. «Scotland Yards bester Freund, nicht wahr?»
    Poirot schien diese Beschreibung nicht zu gefallen und er antwortete mit Würde: «Ich befasse mich mit kriminalistischen Problemen, Mademoiselle.»
    «Ungeheuer aufregend», sagte Theresa Arundell in gelangweiltem Ton. «Wie schade, dass ich mein Autogrammbuch verloren habe!»
    «Es handelt sich hier um Folgendes: Ich erhielt gestern einen Brief von Ihrer Tante.»
    Ihre großen, mandelförmigen Augen weiteten sich ein wenig; sie blies eine Rauchwolke von sich. «Von meiner Tante, Monsieur Poirot?»
    «Von Ihrer Tante, Mademoiselle.»
    «Tut mir leid, dass ich Ihnen das Spiel verderben muss», murmelte sie, «aber das gibt es nicht. Meine Tanten sind, Gott sei Dank, alle tot. Die letzte starb vor zwei Monaten.»
    «Miss Emily Arundell?»
    «Ja. Sie erhalten doch keine Briefe von Toten, Monsieur Poirot?»
    «Manchmal, Mademoiselle.»
    «Wie schauerlich!», rief sie, aber ihre Stimme klang verändert – lebhafter, wachsamer. «Und was schrieb meine Tante?»
    «Das kann ich Ihnen augenblicklich leider nicht sagen. Es ist eine» – er hüstelte – «etwas heikle Angelegenheit.»
    Theresa Arundell rauchte schweigend weiter. Nach einer Weile sagte sie. «Das klingt wunderbar mysteriös. Aber was habe ich damit zu tun?»
    «Ich möchte Sie bitten, mir einige Fragen zu beantworten.»
    «Was für Fragen?»
    «Die Familie betreffende.»
    Wieder weiteten sich ihre Augen. «Wie feierlich sich das anhört! Vielleicht geben Sie mir ein Beispiel.»
    «Bitte. Können Sie mir die Adresse Ihres Bruders Charles sagen?»
    Ihre Augen wurden zu schmalen Schlitzen. Sie schien sich in ein Gehäuse zurückzuziehen. «Leider nicht. Wir schreiben einander wenig. Ich glaube, er

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