Der Bann des Zeitreisenden (German Edition)
schlugen, wenn sie in seiner Nähe war; in solchen Augenblicken fühlte sie sich wacher und lebendiger. Unleugbar war auch, dass sie ihn gern noch besser kennenlernen würde.
Phen sagte mit sanfterer Stimme: »Es ist durchaus wahrscheinlich, dass sich die Unari schon auf der Erde befinden. Die tatsächliche Invasion ist bloß das letzte Stadium in ihrem Plan.«
Rion schob den Teller beiseite, den er nicht einmal angerührt hatte, und schenkte sich noch ein Glas ein.
Marisa runzelte die Stirn. »Was wollen Sie damit sagen?«
»Zuerst schicken die Unari Maulwürfe. Spione. Sie tun alles in ihrer Macht Stehende, um die betreffende Welt zu schwächen. Sie richten reiche Länder zugrunde, zetteln Kriege an und werten Währungen ab.«
Rion fügte leise hinzu: »Chivalri war eines der stärksten und reichsten Länder auf Ehro. Wie England hatte auch Chivalri einen König und gleichzeitig eine konstitutionelle Monarchie.«
Phen nickte. »Die Unari haben auf vielen Ebenen von innen heraus gewirkt und zuerst die Stärksten zu Fall gebracht. Sie sind sowohl geduldig als auch unbarmherzig. Ihre Pläne nehmen manchmal Jahrzehnte in Anspruch.«
»Sie unterwandern das Militär?«, fragte Marisa.
»Und die Regierungen«, sagte Rion. »Die Unari sind brillante Strategen. Sie haben Ehros politisches System völlig infiltriert und den Plan einer gemeinsamen Währung, einer gemeinsamen Regierung und einer einheitlichen Weltordnung vorangetrieben. Diejenigen, die dagegen waren, hatten keine Chance gegen ihre gewaltige Propagandamaschinerie.«
»Indem sie die Medien kontrollierten, konnten sie das Denken der Menschen beeinflussen«, fuhr Phen fort. Er nahm einen Würfel in die Hand und warf ihn Rion zu. »Diese Bilder wurden von automatischen Spionagekameras aufgenommen und mir vor zwei Tagen zugespielt. Sobald ich sie mir angesehen hatte, habe ich Rions Mikrochip aktiviert und ihn damit hierhergelockt.«
Der Würfel in Rions Händen wurde zu einem sechsseitigen Bildschirm. Auf der einen Seite brüllte ein angeketteter Drache in Schmerzen, während Blut an seinem Hals herunterlief. Marisa keuchte entsetzt auf, als sie dieses schreckliche Bild sah. Die anderen Seiten des Würfels zeigten Drachen, die gewaltige Steine an Berghängen hochzogen, während sie ausgepeitscht wurden. Ihre Rücken waren vernarbt, die Schuppen hingen in Fetzen. Mittelgroße Drachen zitterten im Schlamm; ihre Schwingen waren gebrochen. Als Marisa die Babydrachen in winzigen Käfigen kauern sah, rannen ihr Tränen an den Wangen herab.
»Ich komme zu spät. Ich hatte gehofft …«
»Deine Vision ist Wahrheit geworden.« Marisa wischte sich die Tränen fort und warf Rion einen kurzen Blick zu. Also hatte er sie nicht belogen, was den Inhalt seiner Visionen betraf. Diese Bilder entsprachen ganz genau dem, was er ihr mitgeteilt hatte. Kein Wunder, dass er unbedingt nach Hause reisen wollte. Kein Wunder, dass er sie entführt hatte. Kein Wunder, dass er ihrer beider Leben aufs Spiel gesetzt hatte. Kein vernünftiger Mensch konnte diese schrecklichen Bilder sehen und dabei tatenlos bleiben.
»Die Peitschen haben zweierlei Stärke«, sagte Phen zu ihnen. »Sie spenden entweder Schmerz, oder sie töten.«
O Gott. Marisa kniff die Augen zusammen, konnte die furchtbaren Bilder jedoch nicht loswerden.
Rions Gesicht wirkte ausdruckslos. »Ist überhaupt noch jemand in Freiheit?«
»Es gibt ein paar Rebellen. Aber es fehlt an Nahrung, und so werden es jeden Tag weniger.« Phen schaltete den Würfel aus.
Vor Entschlossenheit verhärtete sich Rions Miene. »Hast du ein Schiff gefunden, das uns nach Ehro bringen kann?«
»Sir Drake vom Militärmuseum verfügt zwar über ein solches Schiff, aber es benötigt noch einige Instandsetzungsarbeiten, und außerdem wirst du es wohl stehlen müssen. Ich bin mir nicht sicher, auf wessen Seite er steht. Aber denk nicht einmal daran, den Transporter für die Reise nach Ehro zu benutzen. Eliteeinheiten der Unari bewachen ihn. Jedem, der sich diesem Ort auch nur nähert, droht automatisch die Todesstrafe.«
Rion packte die Lehnen seines Sessels; seine Finger gruben sich tief in die Polsterung ein. »Bitte erzähl mir von Erik.«
»Die Unari haben ihn.«
»Sie foltern ihn.« Rion schlug mit der Faust in die Handfläche. »Eriks Schicksal sollte das meine sein.«
Marisa legte ihre Hand auf die seine. Sie wollte nicht nur Trost spenden, sondern solchen auch von ihm empfangen. Es war die einzig mögliche Reaktion auf die
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