Der Bann des Zeitreisenden (German Edition)
patrouillierten um den Kreis der Unendlichkeit herum. Unari-Gleiter hielten am Himmel Wache.
Überrascht sog Rion die Luft ein.
An der Flanke des Hügels arbeitete eine Gruppe von Ehroniern, still und verstohlen. Sie gruben einen Tunnel in den Hang – einen Tunnel, der unmittelbar zu dem Armaturenbrett führen sollte.
Himmel! Sie waren in die Offensive gegangen.
Dieser Plan, die Kontrolleinrichtung zurückzuerobern, war mehr als kühn.
Seine Vision verengte sich und folgte einem der Männer, während dieser in die Finsternis hineinkroch. Die Rebellen verwendeten Planken, mit denen sie die Decke abstützten, und der schmale Tunnel war nur so breit, dass zwei Männer nebeneinanderpassten. Sie hatten eine Eimerkette gebildet; die Männer ganz vorn gruben und schickten die Erde in Kübeln nach hinten, während die anderen sie vorsichtig in den Fluss schütteten. Das Wasser trug alle verräterischen Spuren davon.
Rions Vision zuckte in einem Blitz zurück nach draußen und zum Kreis der Unendlichkeit. Die Unari-Patrouillen rannten plötzlich zu ihren Fahrzeugen und fuhren davon. Sogar diejenigen Wächter, die die wichtigen Kontrolltafeln bewachten, flohen. Alle Gleiter hoben ab.
Obwohl Rion keinen Grund für diesen Rückzug erkannte, nahmen seine Hoffnungen doch wieder zu. Wenn die Unari flohen und die Ehronier die Kontrolle über den Kreis der Unendlichkeit erlangten …
Die Gleiter bildeten am Himmel eine Formation und kreisten über dem Fluss. Dann hielten sie geradewegs auf den Tunnel zu.
Nein! Sie machten sich zum Abwurf von Bomben bereit.
Und sie wussten ganz genau, welche Stelle sie anvisieren mussten.
Die Gleiter warfen ihre tödliche Ladung ab, Explosionen erschütterten den Hügel. Eine der Steinplatten über den Megalithen donnerte zur Erde und wirbelte eine große Staubwolke auf.
Plötzlich befand sich Rion wieder im Inneren des Tunnels. Die Holzplanken brachen wie Zweige. Der Tunnel stürzte ein: Tonnen von Erde und Felsen zerquetschten die Männer. Diejenigen, die Glück hatten, starben sofort. Die anderen fanden erst dann den Tod, als ihnen die Atemluft ausging.
Niemand überlebte.
Phen winkte Marisa und Rion näher an sich heran und zog dann an einem Hebel, und das Zimmer bewegte sich langsam nach unten – wie ein Aufzug. Sie hatte keine Ahnung, wie tief sie abstiegen, aber als Phen die Tür wieder öffnete, lag nicht mehr das Innere des Tempels hinter ihr, sondern ein gewaltiger offener Raum mit Abtrennungen – jeweils für Arbeit, Schlafen und Kochen. Alles in rosa-grauem Stahl. Merlin flog in den riesigen Raum hinein, Phen aber drückte auf einen Knopf und schickte den kleineren Raum wieder an die Oberfläche.
»Ruht euch aus und esst etwas. Fühlt euch wie zu Hause. Hier solltet ihr für eine Weile sicher sein. Und euer Vogel auch.« Der Diakon warf Rion einen Blick zu, der voller Bedeutung schien, und runzelte dabei die Stirn. »Wir müssen miteinander reden.«
»Ich möchte alle Neuigkeiten erfahren. Seit fast drei Jahren habe ich nichts mehr von Ehro gehört.« Rion veränderte weder den Tonfall noch die Lautstärke seiner Stimme, aber Marisa bemerkte seine Nervosität sehr genau.
Sie war keineswegs damit einverstanden, dass er sie entführt hatte, aber die Hingabe an sein Volk musste sie einfach bewundern. Er hatte nicht nur ihr Leben, sondern auch sein eigenes aufs Spiel gesetzt. Und die Reporterin in ihr verstand durchaus, wie tapfer und heldenhaft er war – auch wenn die Frau in ihr darüber verärgert war, dass er ihre Zustimmung zu seinen Hilfsplänen als selbstverständlich voraussetzte.
»Du warst so lange weg, dass ich schon befürchtet hatte, du würdest gar nicht mehr zurückkommen.« Der Diakon bedeutete ihnen, sich zu setzen. Er brachte ein Tablett mit sprudelnden braunen Getränken und ofenfrischen Speisen herbei. Marisa war verblüfft, mit einer wie großen Auswahl er in dieser kurzen Zeit aufwarten konnte. Kuchen, Schmortöpfe, Brote, Gemüse und Kekse: das war ein wahres Festmahl. Entweder hatte Phen stundenlang gekocht, bevor sie hier eingetroffen waren, oder eine Maschine hielt stets frische Nahrung bereit.
Nach den langen Fußmärschen war Marisa wieder hungrig geworden. Natürlich waren ihr sowohl die Gemüse als auch das Fleisch unbekannt. Aber die Gewürze und Soßen dufteten köstlich, sodass ihr das Wasser im Munde zusammenlief. Sie füllte sich einen Teller und aß mit einem gabelähnlichen Gegenstand, der am einen Ende Zacken hatte.
»Merlin! Da!«
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