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Der Bann des Zeitreisenden (German Edition)

Der Bann des Zeitreisenden (German Edition)

Titel: Der Bann des Zeitreisenden (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Susan Kearney
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ihren Füßen. Aber das war das letzte gewöhnliche Geräusch, das sie hörte. Der schreckliche Lärm, der von jammernden Drachen herrühren mochte, fuhr ihr wie Eis durch die Adern.
    Der Lärm verwundeter Tiere, gefolterter Seelen, Schreie aus Tausenden rohen Kehlen erfüllten die Luft. Das tiefe Jammern, das hohe Pfeifen, das schreckliche Leid drehte ihr den Magen um. Sie schluckte schwer.
    Das Grauen in Rions Augen fachte ihre eigene Wut noch mehr an. Wie konnten die Unari es wagen, so etwas zu tun? Sie hatten kein Recht, Rions Volk zu überfallen und zu unterwerfen. Niemand, wirklich niemand sollte Schmerzen aushalten müssen, die solche Laute hervorbrachten.
    Der Lärm durchfuhr sie, fraß sich in ihrem Hirn fest und erfüllte sie ganz und gar. Sie wollte nicht mehr nach draußen gehen und sehen müssen, was dort los war – nicht, wenn ihr schon die bloßen Laute Übelkeit erregten und die Knie schwach werden ließen.
    Lex und seine Männer mussten diese Geräusche der gefolterten Drachen schon viele Male gehört haben, aber auch sie waren nicht ganz immun dagegen. Marisa sah, wie sie die Zähne zusammenbissen und die Schultern reckten, bevor sie den Tunnel verließen.
    Marisa konnte da nicht kneifen und allein zurückbleiben. Sie zwang sich, tief Luft zu holen und legte ihre Hand in die Rions. Sie musste stark sein – ihm zuliebe.
    Aber kein noch so großer Mut konnte sie auf das vorbereiten, was sie nun sah. Vom Berghang über der Stadt hatten sie einen guten Ausblick – auf die Hölle.
    Drachen flogen durch die Luft und zerrten pyramidengroße Steine mithilfe von Antigraven hinter sich her. Obwohl die Steine deshalb kein Gewicht hatten, besaßen sie doch immerhin noch eine große Masse, was bedeutete, dass der Beginn und das Ende eines jeden Fluges mit diesen Steinen gewaltige Anstrengungen kosteten. Andere Drachen drückten sich mit ihren Körpern gegen die Steine und fügten sie gewaltigen Mauern hinzu, die die Begrenzung für eine Grube bilden sollten, die so breit und tief war, wie das Auge reichte.
    Überall arbeiteten Drachen und litten unter den Peitschen der Unari. Viele hatten dort große Narben, wo die Steine in Schuppen und Fleisch eingeschnitten hatten. Rion hatte ihr von Eriks Narbe berichtet, und sie wusste, dass er hier oder an einem ähnlichen Ort gearbeitet hatte. Einige Drachen hatten offene, eiternde Wunden, bei anderen fehlten Glieder, Augen oder Teile des Schwanzes. Keiner von ihnen besaß mehr die Energie, die Schwingen auszubreiten und ungehindert zu fliegen. Die Rippen stachen durch die mageren Brustkästen. Die meisten Schwingen wirkten so, als wären sie gebrochen, und ihre Farbe war kein strahlendes Purpur mehr, sondern lediglich ein verblasstes Braunrot.
    »Halb verhungert und verrückt vor Schmerzen – es ist ein Wunder, dass sie überhaupt noch arbeiten können«, sagte Marisa.
    Lex seufzte. »Wenn die Unari den Schmerzpegel senkten, würde unser Volk kämpfen.«
    Der Anblick schnürte ihr die Kehle zusammen, Tränen sammelten sich in ihren Augen. Sie zwang sich, nicht zu seufzen. Sie mussten etwas tun, damit diese Schrecken aufhörten. Irgendetwas.
    Noch schlimmer als die verstümmelten und ausgehungerten Körper der Drachen war der ausdruckslose Blick ihrer goldenen Augen. Nirgendwo sah Marisa einen Funken der Hoffnung. Als wären die Schmerzen des Tyrannisierers noch nicht genug, hatten die Unari auch ihren Geist gebrochen und peitschten jeden Drachen, der ihnen zu nachlässig erschien, mit pulsierenden Energiestäben, die die Haut verbrannten.
    Der Gestank versengter Schuppen traf sie nun mit voller Wucht. Einen Moment lang schloss sie die Augen, aber die Bilder hatten sich in ihr Hirn eingebrannt: Winzige Babys, deren Schwingen zum Zerreißen gespannt waren, flogen durch die Luft und brachten den Mörtel, mit dem die gigantischen Blöcke geglättet wurden. Weibliche und männliche Drachen stießen schrille Schreie aus, als ein Mauerstück zusammenbrach und die riesigen Steine auf die darunter arbeitenden Drachen herabfielen. Einige wurden gleich zerschmettert, andere stießen rasselndes Todesröcheln aus. Und die Unari – es waren Ungeheuer, die wie gewöhnliche Menschen aussahen – beachteten die verzweifelt ausschlagenden Verletzten nicht einmal und zwangen die verbliebenen Drachen, die Mauer auf den Leichen ihrer Kameraden neu zu errichten.
    »Kannst du eine Botschaft aussenden?«, fragte Rion bei diesem Anblick. »Dann frag die Drachen, ob sie wissen, wo mein Vater

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