Der Bann des Zeitreisenden (German Edition)
Wunden davon, die von Unfällen oder den Peitschen der Unari herrührten.
Aber obwohl er stärker als die anderen wirkte, verrieten seine schwerfälligen Bewegungen und der gesenkte Kopf doch, dass er unter großen Schmerzen litt. So war es bei allen Drachen.
In dieser Gestalt passte er unmöglich in den Schweber. Hatte Lex ihr nicht gesagt, dass die Unari die Drachen so geschwächt hielten, um sie an einer Rückverwandlung zu hindern? Der Mangel an Platin war für ihren beklagenswerten Zustand wohl verantwortlich.
Sie wollte nicht schon wieder versagen. Aber was sollte sie tun? Aus der Deckung des Schwebers heraus betrachtete sie die Szenerie und suchte nach Möglichkeiten.
Die Drachen schenkten ihr keinerlei Aufmerksamkeit. Sie sah keine Unari. Lex stapelte einen großen Stein auf den anderen. Bisher hatte er nicht in ihre Richtung geblickt. Er schien gar nicht zu wissen, dass sie hier war.
Drachen konnten einfache menschliche Worte begreifen. Sollte sie also mit ihm reden?
Die Angst vor der Entdeckung lähmte sie zwar, aber nichts geschah. Kein Unari erschien. Die Drachen arbeiteten weiter, flogen umher und fügten die riesigen Steinblöcke zusammen. Zuerst verstand Marisa gar nicht, warum das ungeheure Gewicht der Mauern nicht dazu führte, dass die Steine wieder herunterfielen. Doch dann sah sie die Querstreben und Antigrave und weitere hoch entwickelte architektonische Systeme, durch die das Gebilde gestärkt wurde. Wenn es einmal fertig war, würde es eine praktisch uneinnehmbare Festung darstellen.
Erschöpft durch Hitze, Staub, Wassermangel und vor allem durch ihre eigene Unentschlossenheit, kam Marisa hinter dem Schweber hervor. Sie ging auf Lex zu, der sie noch immer nicht wahrzunehmen schien. Doch auch nachdem er sie gesehen haben musste, arbeitete er noch weiter. »Lex. Du sollst dich in einen Menschen verwandeln.«
Der Drache ächzte auf.
»Verwandle dich, und ich bringe dich von hier fort.«
Lex taumelte und hätte beinahe einen der schweren Steine fallen gelassen. In letzter Sekunde rammte er ihn noch an eine schwindelerregend hohe Stelle in der Mauer. Der Stein schwankte. Ihr krampfte sich der Magen zusammen, als sie auf die Drachen blickte, die fünf Stockwerke darunter arbeiteten. Wenn der Felsblock herunterfiel, würden gewiss viele von ihnen sterben.
Lex spannte sich an, drückte mit seinen massigen Klauen dagegen und stieß ein angestrengtes Pfeifen aus. Der Stein fand Halt.
Hatte er sie gehört? Hatten ihre Worte ihn abgelenkt? Oder hatte er nur versucht, das zu tun, worum sie ihn gebeten hatte, und dabei war der Schmerz so stark geworden, dass er sich nicht mehr hatte konzentrieren können? Sie wusste zwar nicht, wie sehr der Schmerz die Drachen kontrollierte, aber es war ihr schon bekannt, dass er zunahm, wenn sie sich Befehlen widersetzten.
Lex empfand vielleicht so große Qualen, dass er ihre Worte nicht einmal gehört hatte.
Wenn Marisa zu ihm durchdringen wollte, musste sie es auf einer tieferen Bewusstseinsebene versuchen – unmittelbar von Geist zu Geist. Doch wenn sie eine telepathische Verbindung herstellte, würden seine Schmerzen gewiss auch sie treffen. Falls sie dabei aufschrie oder auch nur keuchte – so wie sie es schon einmal getan hatte –, konnte sie sich nicht einmal mehr selbst schützen oder verstecken.
Sie biss die Zähne zusammen, machte sich für den Schmerz bereit und konzentrierte sich ganz auf Lex. Auf eine einzige Botschaft.
Verwandle dich.
Während sie diese geistige Botschaft noch formulierte und dann sendete, öffnete sie eine direkte Verbindung zu Lex. Der Schmerz traf sie wie hundert gleichzeitig zustechende Bienen. Wie tausend Stichwunden. Es war, als hätte sie Glas geschluckt und als würden die scharfen Kanten Säure in ihre Nerven träufeln.
Trotz ihrer Entschlossenheit weiterzumachen, brach die Verbindung zusammen. Der fürchterliche Schmerz endete, aber es dauerte noch eine Weile, bis auch der Widerhall verschwunden war.
Gütiger Gott! Tränen traten ihr in die Augen, ihr Blick verschwamm. Wie hielten sie das bloß aus? Für diese Art der Qualen gab es keinen Namen. Nur wenige Sekunden davon hatten Marisa schon in die Knie gezwungen.
Schlimmer noch, sie wusste nicht, ob ihre Botschaft zu Lex durchgedrungen war. Benommen und einem Hitzschlag nahe, sammelte sie ihre Kräfte und wollte es erneut versuchen. Ein Schatten fiel über sie und verdunkelte die Sonne.
Kein neues Adrenalin durchströmte sie. Jetzt hatte sie all ihre Reserven
Weitere Kostenlose Bücher