Der Bann des Zeitreisenden (German Edition)
seine Befehle auf elektronischem Weg. Vielleicht hatte Marisa die Kugel von ihrem Unari-Betreiber abgekoppelt, indem sie seine Augen eingetreten hatte, und nun wartete der Schweber auf neue Befehle aus ihrem Mund.
»Ich befehle dir, Rion zu finden.« Sie erwartete zwar nicht, dass die Maschine dieser Aufforderung folgte, aber sie musste doch irgendetwas versuchen, um Rion zu finden und aus diesem Höllenloch zu fliehen.
»Rion liegt auf dem Boden, eintausendzweihundertdreiundfünfzig Meter südwestlich von hier.«
»Na wunderbar. Ich steige ein. Dann bringst du mich zu Rion. Halt aber nirgendwo an. Sprich mit niemand anderem als mit mir.«
»Steig ein steig ein steig ein.«
Sie musste verrückt sein. Aber sie betrat tatsächlich den Gleiter. Er war glatt und glänzend. Es gab zwar keinen Sitz, aber er war so geräumig, dass sie aufrecht darin stehen konnte. Sobald sie drinnen war, bemerkte sie Löcher in der Decke, hinter denen offenbar ein Lautsprecher angebracht war.
Die Luke schloss sich hinter ihr. Jetzt befand sie sich in vollkommener Dunkelheit. Im Inneren eines Schwebers. Gefangen. Zweifellos glaubten die Menschen am Boden, sie wäre gefressen worden – genauso wie es Marisa vorhergesagt worden war.
Aber bisher nagten keine Zähne an ihrem Fleisch, kein Verdauungssekret löste ihre Haut auf. Als sich der Schweber erhob, schlug Marisas Puls schneller.
Die Maschine schoss nach oben, dann zur Seite weg und beschrieb einen sanften Bogen. Marisa betete, dass die zerstörten Augen nicht zu einem Unfall führten.
Sei zuversichtlich. Ein Fenster wäre schön gewesen und eine Klimaanlage noch besser. Vor allem aber lechzte sie nach Wasser. Ihr Mund war so trocken, dass das Atmen geradezu wehtat.
»Wie lange dauert es, bis wir dort ankommen?«, fragte Marisa.
Der Schweber gab zwar keine Antwort, aber sie spürte, wie sie bereits an Höhe verloren. Die Kugel hielt an. Nichts geschah.
Was jetzt?
»Öffne die Luke«, befahl Marisa.
Sie hörte ein Zischen. Dann sprang tatsächlich die Luke auf.
Marisa sah hinaus. Ihre Augen benötigten eine Weile, bis sie sich wieder an die Helligkeit gewöhnt hatten. Die Szenerie da draußen sah genauso aus wie jene, die sie vorhin verlassen hatte. Ermattete und schmutzige Menschen mit fleckigen Fetzen. Es war noch immer dieselbe Grube.
Doch dann wich die Menge zurück, als sich ein Mann einen Weg durch sie hindurchbahnte. Zuerst glitt Marisas Blick über ihn hinweg, doch etwas an ihm kam ihr vertraut vor, also sah sie ihn wieder an. »Rion?«
»Marisa?« Er war ganz mit Sand bedeckt, seine Kleidung war verschlammt, seine Augen wirkten so schwarz wie nie zuvor. Doch bevor sie ihn nicht berührt und seinen Duft eingeatmet hatte, würde sie nicht glauben, dass er es tatsächlich war. Dass er wirklich war.
»Warte hier«, befahl sie dem Schweber, sprang aus der Blechdose und rannte auf Rion zu. Er lief nun auch ihr entgegen. Als sie sich trafen, hob er sie hoch und umarmte sie.
»Ich habe schon geglaubt, ich sehe dich nie wieder.« Seine Lippen schlugen gegen die ihren. Er umarmte Marisa. Sie schlang ihm die Arme um den Nacken und drückte sich gegen seine Brust.
Gütiger Gott, wie sehr hatte sie sich nach ihm gesehnt. Sie hatte seine Stärke, seine Gesellschaft und seine kräftigen Arme vermisst.
Unablässig fuhr sie ihm mit den Händen über die Schultern, den breiten Rücken entlang und musste ihn immer wieder und wieder berührten, damit sie nicht vergaß, dass er wirklich hier war. Als ihr Kuss zu Ende war, sah sie die Erleichterung in seinen Augen.
Sie grinste; es war ihr erster Ausdruck der Freude, seitdem sie ohne ihn erwacht war. »Ich kann einfach nicht glauben, dass ich dich gefunden haben soll.«
»Ist alles in Ordnung mit dir?« Er stellte sie wieder auf die Beine.
»Jetzt geht es mir besser.« Sie ergriff seine Hand und führte ihn zu dem Schweber hinüber. Sie stieg ein und bedeutete ihm, er möge sich zu ihr gesellen. »Komm.«
Ohne zu zögern betrat er den Schweber. Gemeinsam passten sie zwar kaum hinein, aber sie war so froh, ihn gefunden zu haben, dass es ihr auch egal gewesen wäre, wenn sie einen Dosenöffner gebraucht hätten, um sich wieder voneinander zu lösen. Sie legte die Arme um Rion und genoss noch einmal das Gefühl seines kräftigen Körpers neben sich. »Ich habe herausgefunden, wie wir uns in den Schwebern fortbewegen können.«
»Wie?«
»Diese Blechdose ist nämlich nicht allzu klug …«
»Blechdose?«
»Der Schweber. Nachdem
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