Der Bann des Zeitreisenden (German Edition)
aufgebraucht. Sie hatte sich bis an die Grenze des Erträglichen gebracht, und nun konnte sie nicht einmal mehr klarsehen. War das ein Unari? Ein Drache? Ein Mensch? Sie blinzelte die Tränen fort, und allein durch ihre große Willenskraft gelang es ihr, den Kopf zu heben.
»Lex!« Gott sei Dank. Er hatte wieder Menschengestalt angenommen.
»Noch eine Stunde länger«, keuchte er und half ihr auf die Beine, »und ich hätte keine Möglichkeit mehr gehabt, mich zu befreien.«
»Nichts wie weg von hier. Rion … er wartet auf uns.« Geschwächt vom Wassermangel und von den Resten des Schmerzes halfen sie sich gegenseitig zu dem Schweber, und glücklicherweise zögerte Lex nicht, die Maschine zu betreten. Er stellte auch keine Fragen, sondern folgte ihr einfach.
»Zurück zum Tunnel«, befahl sie.
Sie war so schwach, dass sie kaum mehr richtig stehen konnte, und sie wünschte sich nichts sehnlicher, als sich bloß hinzulegen, die Augen zu schließen und sich eine Weile auszuruhen.
Wenn sie nicht so wenig Platz gehabt hätten, wäre sie zusammengebrochen. Ihre Gedanken verschwammen. Mit ihrem letzten Atem flüsterte sie: »Wenn wir landen, musst du dem Schweber befehlen, die Luke zu öffnen.«
In den letzten zehn Minuten hatte Rion den Himmel mindestens zehn Mal abgesucht. Wo war Marisa?
Als er schließlich einen schwarzen Punkt erspähte, starrte er diesen so angestrengt an, dass ihm die Augen schmerzten. Als der Punkt allmählich größer wurde, stiegen seine Hoffnungen.
Endlich landete der Schweber auf der Lichtung, und Rion musste sich dazu zwingen, wieder zu atmen. Es war tatsächlich dieselbe Maschine. Diejenige ohne Augen. Aber war Marisa auch darin? Bei der Göttin, hatte sie Lex retten können?
Mit einem scheppernden Geräusch öffnete sich die Luke und Marisa fiel heraus. Lex taumelte ebenfalls nach draußen, während Rion Marisa auffing und in die Arme nahm. Sie hatte die Augen geschlossen, ihre Wangen erglühten in einem unnatürlich wirkenden Rosa. Ihr Körper war mit Schmutz und Staub überzogen, und sie fühlte sich sehr heiß an. Ihre Haut brannte.
Er musste ihre Körpertemperatur rasch senken, bevor ihr Hirn noch geröstet wurde.
Rion trug Marisa zu der Stelle, wo er den Wasserschlauch abgelegt hatte. Er bettete sie in den Sand, drehte den Hahn auf und besprengte sie mit kühlem Wasser. Oder war es doch schon zu spät?
Er setzte sich neben sie und stützte sie mit dem Arm ab. Mit dem Daumen seiner freien Hand lenkte er das Wasser so, dass es hoch in die Luft schoss und wie Regen auf sie herabperlte.
Lex wankte zu Marisa und Rion hinüber. Der Mann war ganz weiß im Gesicht. Er zitterte. Dass er sich nicht ebenfalls unter das Wasser legte, bewies seine Selbstbeherrschung. Und seine Sorge um Marisa. »Atmet sie noch?«
»Ja. Komm zu uns ins Nasse.« Rion bedeutete Lex, sich an seiner Seite niederzulassen, und nahm dann Marisa in die Arme. »Es ist genug Wasser da. Trink aber langsam, ansonsten …«
»Ich verstehe.« Lex legte den Kopf zurück, trank von dem Wasser und spülte sich den Schmutz vom Leib, wobei er sorgsam darauf achtete, dass er Marisa nicht damit besprenkelte.
Rion strich ihr die Haare aus dem Gesicht. »Komm, Marisa, wach auf.«
»Sie hat mich gerettet.« Lex´ Stimme klang heiser und erstickt vor Rührung. »Ich weiß zwar nicht, wie sie es geschafft hat, aber ihr geistiges Signal hat meine Schmerzen durchbrochen. Es hat gerade ausgereicht, um …«
»Was?« Rion richtete seine ganze Aufmerksamkeit auf Lex. »Sie hat dich … nicht in menschlicher Gestalt angetroffen?«
Lex schüttelte den Kopf; Verwirrung zeigte sich in seinem Blick. »Ich dachte, das ist auch der Grund, warum Ihr sie zurückgeschickt habt. Wegen ihrer geistigen Gabe. Die Unari haben damit gedroht, zehn Menschen zu töten, wenn ich mich nicht in einen Drachen verwandle … Und dann haben sie mich gezwungen, an der Mauer zu arbeiten. Marisa habe ich es zu verdanken, dass ich mich befreien konnte – es war ganz knapp.«
»Ich habe sie nicht zurückgeschickt. Ich wollte selbst nach euch suchen, aber sie hat mich ausgetrickst und ist an meiner Stelle gegangen.«
»Sie hat es also freiwillig getan?« Lex´ Kinnlade fiel herab. »Aber das ist doch nicht ihr Krieg. Sie stammt nicht einmal von Ehro.«
»Sie ist vielleicht nicht hier geboren, aber mit dem Herzen ist sie bei uns. Vielleicht hat sie dabei ihr Leben …« Rion schluckte schwer.
»Als sich Marisa telepathisch mit mir verbunden hat, hat sie
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