Der Bann (German Edition)
seiner Arbeit und seiner Familie. Er verkaufte ein weiteres Stück Land an einen Bauunternehmer und kassierte ein Vermögen, das er geschickt investierte. Am Ende des Jahrzehnts wurde ihnen beiden klar, dass sie nicht mit weiteren Kindern gesegnet sein würden, doch die Freude, die Hannah ihnen brachte, glich diesen Umstand aus. Die Beharrlichkeit und das Feuer des Mädchens, beides eindeutig ein Erbe der Eltern, wurden gemildert von einer selbstlosen Art, die Charles und Nicole von sich selbst nicht kannten.
Im Jahr 1997 feierte Hannah ihren fünfzehnten Geburtstag. Es war der fünfunddreißigste Jahrestag des Feuers, das Nicoles Mutter gelegt hatte, nachdem ein
hosszú élet
sich ins Haus der Familie eingeschlichen hatte. Charles feierte zwei Veröffentlichungen, die er für den Rest seines Lebens bedauern sollte.
Sein erstes Buch,
Legacy of the Germanic Peoples
, wurde von mehreren nationalen Zeitungen positiv rezensiert, was höhere Verkaufszahlen zur Folge hatte, als er normalerweise gehofft hätte. Sein wachsender Bekanntheitsgrad im Radio half ebenfalls.
Als Nicole das Buch aufschlug, stellte sie bestürzt fest, dass die Innenseite des Einbands ein Schwarzweißfoto von ihr und Charles in seinem Arbeitszimmer zeigte. Das Foto hatte Hannah ein Jahr zuvor aufgenommen. Die Bildunterschrift lautete:
Professor Charles Meredith entspannt sich zusammen mit seiner Frau in ihrem Heim in Oxfordshire.
Charles hatte nicht mit dem Ausmaß ihrer Wut gerechnet. Er hatte geglaubt, die Jahre der Paranoia wegen der
hosszú életek
wären vorbei. Ihre Reaktion brachte ihn so aus der Fassung, dass er ihr erst gar nichts von seiner zweiten Veröffentlichung sagte, einem Artikel in der wenig bekannten Dreimonatsschrift
Mottram-Gardner Journal of European Folklore and Mythology
.
Der Artikel, gerade mal fünftausend Worte, stand relativ weit hinten. Sein Titel:
Hosszú életek: Geburt und Tod einer ungarischen Legende
.
Charles wurde als Autor genannt.
Kapitel 14
Snowdonia
Heute
D as schwere Gewitter, das seit drei Tagen bedrohlich über dem Tal gehangen hatte, war wieder abgezogen. Für den Augenblick herrschte am Himmel eine trügerische Ruhe. Wolken zogen über das Firmament und zeigten dem Tal ihre roten Bäuche. Die ausgefransten Ränder wurden von Sonnenstrahlen durchbohrt, die Teile der Landschaft für einen flüchtigen Moment in leuchtendes Grün und Violett tauchten, bevor sich neue Wolken heranschoben und die Farben wieder verblassten.
Im Farmhaus machte Hannah in jedem Raum ein starkes Feuer, um die Feuchtigkeit zu vertreiben, bevor der nächste Sturm losbrach. Während das Haus allmählich warm wurde, zog sie Gummihandschuhe über und schrubbte das winzige Badezimmer, bis das Porzellan glänzte und auf dem Chrom kein Fleck mehr zu sehen war. Sie wischte den Küchenboden und bleichte das Spülbecken, putzte den Herd und stapelte das restliche Holz, das Sebastien gebracht hatte, neben den Kaminen. In einem der Nebengebäude fand sie Bretter, Nägel und einen Hammer und benutzte sie, um das zertrümmerte Fenster im Wohnzimmer zu vernageln. Sie verbrannte Nates blutverkrustete Kleidung, nachdem sie in einem der Schränke passende Ersatzgarderobe gefunden und gelüftet hatte. Sie ließ ein Bad für Leah ein und wusch ihrer Tochter die Haare, dann setzte sie das kleine Mädchen mit einem Enid-Blyton-Roman ins Esszimmer von Llyn Gwyr.
Nachdem ihre Tochter beschäftigt war, kontrollierte Hannah zweimal den Inhalt der Patronenschachteln. Sie fand drei neue Verstecke für die Munition und fürchtete jedes Mal, dass die Patronen entweder nicht direkt griffbereit sein könnten oder zu einfach zu finden waren für Leahs neugierige Finger. Sie lud und entlud die Schrotflinte und reinigte die Waffe mit einer Kanne Öl, die sie unter der Treppe gefunden hatte. Als sie fertig war, legte sie das geladene Gewehr zurück in die Speisekammer. Die ganze Zeit über bemühte sie sich, jeden Gedanken an ihren Vater zu verdrängen.
Nate beobachtete sie mit undurchdringlicher Miene. Drei Tage waren vergangen seit ihrem Eintreffen in Llyn Gwyr. Es fiel ihr immer noch schwer zu glauben, dass jemand so viel Blut verlieren und trotzdem überleben konnte.
Doch er hatte überlebt. Das Küchensofa beim Feuer war zu seinem Genesungsbett geworden, von wo aus er immer häufiger Wünsche äußerte nach Essen, Trinken und leeren Flaschen, in die er sich erleichtern konnte. An diesem Morgen hatte er sie sogar gebeten, ihm auf die Toilette zu
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