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Der Bann (German Edition)

Der Bann (German Edition)

Titel: Der Bann (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stephen L. Jones
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zu glauben. Die Kontrolle über dein Leben wieder selbst in die Hand zu nehmen und Aberglauben und Tragödie in der Vergangenheit zu lassen, wo sie hingehören.
Doch all das konnte er ihr nicht sagen. Noch nicht. Jede Unterhaltung mit ihr war ein Drahtseilakt zwischen ihren temperamentvoll vorgebrachten Überzeugungen und seiner Skepsis. «Ich weiß es nicht», räumte er ein.
    «Vergiss nicht», fügte sie hinzu. «Nicht ich bin es, die in Gefahr schwebt, sondern diejenigen, die mir am nächsten stehen. Und momentan bist das du.»
    Er sah sie von der Seite an, in der Hoffnung, wenigstens die Andeutung eines Lächelns zu entdecken, und stellte deprimiert fest, dass ihre Miene ernst und abwesend war. «Hat es andere gegeben?», fragte er.
    «Ich bin keine Jungfrau mehr, Charles, falls es das ist, was dich interessiert.»
    «Nein, das meinte ich nicht. Ich habe mich nur gefragt, ob du dich auch schon früher jemand anderem anvertraut hast.»
    «Einmal, ja.» Sie lachte spröde. «Ich dachte, ich würde diesen Fehler nicht noch einmal begehen.»
    «Hat nicht funktioniert.»
    «Um es gelinde auszudrücken, ja.»
    «Aber es gab keinen Zwischenfall. Was ich meine: Du bist diesem Jakab nicht begegnet, oder?»
    «Nein. Ich glaube nicht.»
    «Dann ist er also, soweit du weißt, das letzte Mal aufgetaucht, als du ein kleines Mädchen warst und in Carcassonne gelebt hast?»
    «Ja.»
    «Vor zwanzig Jahren oder mehr.»
    Sie nickte. «Und was will er deiner Meinung nach von dir?», fragte Charles.
    «Er will Erna.»
    «Aber Erna ist tot.»
    «Er will das Leben zurück, das er zusammen mit ihr hatte. Und es ist ihm egal, ob er jemanden umbringen muss, um sein Ziel zu erreichen. Anna Bauer war ein Ebenbild ihrer Großmutter. Meine Mutter sagt, ich sehe genauso aus. Jakab wusste, dass Anna sich ihm niemals freiwillig hingeben würde. Er beabsichtigte, ihren Mann zu ermorden, in seine Rolle zu schlüpfen und sich in ihr Leben zu schmuggeln, ohne dass sie etwas davon erfuhr. Jahre später, nachdem dieser Versuch fehlgeschlagen war, versuchte er es erneut, diesmal bei meiner Mutter. Auch das ging schief, aber ich denke, er lernt, und er wird jedes Mal besser.»
    Sie ließ die Hand an seinem Arm nach unten gleiten und ergriff seine Hand. Charles hätte vor Freude geseufzt, hätte sie nicht so unglaublich elend dreingeblickt.
    «Was machen wir jetzt?», fragte sie.
    Er wusste, dass sie mehr mit sich selbst sprach, doch er beschloss, trotzdem zu antworten. «Wir sehen zu, dass wir irgendwo etwas zu essen kriegen», sagte er. «Und danach betrinken wir uns bis zum Umfallen.»
    Nicole lachte auf, und zum ersten Mal an diesem späten Nachmittag klang es aufrichtig. Sie drückte seine Hand. «Der große Charles Meredith. Hat immer nur seinen Magen im Sinn.»
    «Ich hatte nur einen Crêpe, seit ich von Bord der Fähre gegangen bin.»
    «Dann hast du tatsächlich eine anständige Mahlzeit nötig», sagte sie und zupfte an seiner Hand. «Komm mit. Ich kenne ein Lokal.»
    Sie aßen in einem vollen und lauten Bistro in einer Seitenstraße der Champs-Élysées. Charles bestellte sich eine geräucherte Makrelenmousse, gefolgt von Kalbsleber mit Schinken und Röstkartoffeln. Das Essen, als es schließlich eintraf, war exzellent. Während er mit gesenktem Kopf über seinem Teller saß und seinen Hunger stillte, stocherte Nicole in ihrem Kabeljaufilet herum und schob Charles schließlich ihren Teller hin, als sie nicht mehr weiteressen konnte.
    «Irgendetwas geht dir durch den Kopf», sagte er und bemerkte erneut, dass sie die anderen Gäste musterte.
    «Es … es tut mir leid. Es war ein merkwürdiger Tag. Dich wiederzusehen, hier in Paris, nach unserer gemeinsamen Zeit in England.»
    Er studierte ihr Gesicht. «Du sagst es so, als wäre es keine besonders erfreuliche Erfahrung gewesen.»
    Sie lächelte, und als er die unendliche Müdigkeit in ihrem Blick bemerkte, hätte er sie am liebsten in den Arm genommen und gehalten, bis er diesen hirnlosen Aberglauben aus ihrem Kopf vertrieben hätte, sodass sie aufhören konnte, ihr Leben zu ruinieren. «Ich habe mich sehr gefreut, dich wiederzusehen. Ich konnte mir doch das Vergnügen deiner feinen englischen Ausdrucksweise nicht entgehen lassen.»
    «Und was ist es dann?»
    «Ich kann nicht die Verantwortung für dich tragen. Ich weiß nicht, wie es so weit mit uns kommen konnte. Es sieht fast aus wie Schicksal, und das beunruhigt mich. Du bist ein wunderbarer Mann, und ich fühle mich zu dir hingezogen,

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