Der Bann (German Edition)
Piste zurück in Richtung Hauptstraße fuhr. Sebastien winkte zum Abschied hinterher.
«Kennen Sie ihn?», fragte Gabriel.
Hannah schüttelte den Kopf.
«Wirklich nicht?»
«Nein.»
«Hm. Vielleicht besser so», sagte er. Als sie sich zu ihm umdrehte, war jede Spur seines üblichen Humors aus seinem Gesicht verschwunden.
Ein eisiger Schauer lief ihr über den Rücken. «Warum sagen Sie das?»
Kapitel 15
Oxford
1997
C harles spazierte über einen Kiesweg im Botanischen Garten der Universität. Er war auf der Suche nach Beckett.
Der Kräutergarten war immer einer seiner Lieblingsplätze gewesen. Er genoss die Düfte und Aromen, den Anblick, die Ruhe, die Geschichte, den einzigartigen Ausdruck der verschiedenen Jahreszeiten. Normalerweise war ein Spaziergang im Kräutergarten ein Tonikum für seine Sorgen. Nicht jedoch heute.
Er war seit Wochen unruhig und nervös. Seit der Veröffentlichung seines Buches
Legacy of the Germanic Peoples
mit dem Umschlagfoto von sich und Nicole wurde er überschwemmt von Schuldgefühlen, und die Flut wollte nicht verebben.
Vor seinem geistigen Auge sah er immer wieder, wie Nicole das Buch zum ersten Mal aufschlug – und wie ihr Lächeln erlosch, als sie ihr Foto sah. Zuerst hatte der Schock sie erstarren lassen. Und dann war sie vor Ärger explodiert. Sie hatte das Buch zerrissen, die beiden Hälften von sich geschleudert und sich mit einem Wutschrei auf ihn gestürzt.
Wie hatte er jemals eine so selbstsüchtige Entscheidung treffen können? Die schreckliche Ironie daran war, dass er, obwohl er Nicole heute mehr liebte als am Tag ihrer Hochzeit, mit diesem einen Akt unbekümmert jedes Versprechen gebrochen hatte, das er ihr jemals gegeben hatte. Dass er die Überzeugungen, die ihr Leben bestimmten, zu einer Kinderphantasie reduziert hatte, einem alten, verbrauchten Schwarzen Mann, der reif war für die Euthanasie.
Ich weiß es besser
, verkündete das Foto.
Ich habe achtzehn Jahre lang deine Paranoia ertragen, und es ist Zeit, dass wir sie begraben.
Er wusste, warum er es getan hatte: Stolz. Selbst achtzehn Jahre nach ihrer ersten Begegnung hielt er Nicole immer noch für die faszinierendste, begehrenswerteste Frau, die er je getroffen hatte. Nach all den Jahren der Heimlichtuerei hatte er der Welt von ihrer Beziehung verkünden wollen, hatte hinausrufen wollen, dass er, Charles Meredith, das riesige Glück gehabt hatte, eine so unglaubliche Frau wie Nicole Dubois zu finden. Der Gedanke, dass etwas so Wertloses wie seine eigene Eitelkeit zu dem Messer werden konnte, das ihre Beziehung durchtrennte, war so erschreckend, dass er sich sterbenselend fühlte.
Zuerst hatte Nicole mit ausdrucksloser, gleichmütiger Stimme verkündet, dass sie ihn verlassen würde. Dass sie eine Tasche packen und verschwinden würde. Später, nach vielen Stunden voller Tränen auf beiden Seiten, hatte sie vorgeschlagen, dass sie zusammen weggehen sollten. Oxford zurücklassen, den Ruhm seines Namens, die neue und ungewollte öffentliche Aufmerksamkeit.
Trotz allen Redens hatten sie am Ende nichts unternommen. Sie liebten einander viel zu sehr, um sich zu trennen, und ihr gemeinsames Leben war seit vielen Jahren viel zu tief in Oxford verwurzelt, um ernsthaft über ein Fortgehen nachzudenken.
Obwohl sie zusammenblieben, hatte sich ihre Beziehung unwiderruflich verändert. Zwischen ihnen lag nun eine Vorsicht, die es vorher nicht gegeben hatte, ein Zögern vor dem Reden, vor dem Handeln. Er trauerte den alten behaglichen Tagen hinterher, während er sich zugleich für ihren Verlust geißelte. Sie waren sich körperlich nicht mehr nah gewesen seit jenem schlimmen Streit. Nicht dass Nicole sich ihm verweigert hätte – er fühlte sich einfach unwürdig. Das war es, was ihm am meisten zu schaffen machte. Das und die Tatsache, dass er nicht den Mut gefunden hatte, auch den zweiten Akt seines Verrats einzugestehen – den Artikel, den er für das
Mottram-Gardner Journal of European Folklore and Mythology
geschrieben hatte.
Es war dieser Artikel, veröffentlicht einen Monat zuvor, der ihn in den Botanischen Garten getrieben hatte und ihn veranlasste, über die gekiesten Wege zu spazieren und nach der vogelartigen Kreatur mit Namen Patrick Beckett zu suchen.
Er fand ihn schließlich auf einer der Bänke, die in einem weiten Kreis um den Springbrunnen herum aufgestellt waren. Beckett war in einen Wollmantel gehüllt und hatte einen Hut auf dem Kopf. Er starrte auf die Wasserlilien im
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