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Der Bann (German Edition)

Der Bann (German Edition)

Titel: Der Bann (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stephen L. Jones
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hatte, er war zurückgekommen, mit neuer Kraft, neuem Mut. Er hatte ein Bewusstsein entwickelt für seine Fähigkeit, die Realität zu verformen, und die sich ergebenden Möglichkeiten waren unglaublich aufregend.
    Es war schlau gewesen von Hans, den Familiennamen von Fischer auf Richter zu ändern. Doch wegen eines typischen Mangels an Vorstellungskraft hatte der Bauer es versäumt, auch ihre Vornamen zu ändern. Nachdem Jakab beschlossen hatte, sich auf die Suche nach der Familie zu machen, dauerte es weniger als zwölf Monate, bis er sie gefunden hatte.
    Und als er sie gefunden hatte, erwartete ihn eine Überraschung.
    Anna Richter.
    Anna war ein paar Jahre jünger als ihre Großmutter bei Jakabs erstem Aufenthalt am Plattensee. Jünger, frischer und doch irgendwie weiser. Ihre Augen waren vom gleichen tiefen Schokoladenbraun, durchsetzt mit Olive und Karamell, und ihr Haar hatte den gleichen dunkelbraunen Glanz. Jakab hatte befürchtet, die Schönheit und Eleganz, die Erna an ihre Nachfahren weitergab, könnten durch das Erbgut des Bauern Hans korrumpiert werden, verdünnt durch seinen Samen. Diese Befürchtungen erloschen beim ersten Anblick Annas. Ganz im Gegenteil, der Beitrag des Bauern hatte geholfen, ein noch exquisiteres Wesen zu erschaffen als die Frau, die Jakab während seiner Zeit in Keszthely gekannt hatte. Er verliebte sich noch am selben Nachmittag.
    Mit Anna hatte er eine zweite Chance bekommen, glücklich zu werden. Er würde sie nicht verspielen.
    Einen Kilometer von der Residenz der Richters entfernt auf einem bewaldeten Abschnitt der Straße, die aus gefrorenem Schlamm und Steinen und wenig sonst zu bestehen schien, verlangsamte Jakab seinen Mercedes und lenkte das Fahrzeug in eine Senke unter den Bäumen. Er zuckte zusammen beim Geräusch der Brombeeren und Stechpalmen, die mit ihren Dornen über den Lack der Karosserie schrammten.
    Er schaltete den Motor aus, lehnte sich in seinem Sitz zurück und konzentrierte sich auf seine Erinnerung an Albert Bauers Gesicht. Er ballte die Fäuste beim vertrauten Aufflammen des Schmerzes, als er sich verformte und das Gesicht und die Statur des jungen Mannes annahm. Er riss die Papiertüte auf und verschlang die restlichen Strudel, ohne sich die Zeit zu nehmen, das Gebäck ordentlich zu kauen. Dann nahm er einen kompakten silbernen Spiegel vom Rücksitz, klappte ihn auf und studierte sein Gesicht. Vorspringende Wangenknochen, dünne Lippen, abstehende Ohren. So weit, so gut.
    Die Nase war noch nicht ganz richtig. Er presste, drückte und warf erneut einen Blick in den Spiegel. Besser. Nein, perfekt.
    Er stieg aus dem Wagen, vorsichtig darauf bedacht, sich nicht die Hosen am Gestrüpp zu zerreißen, und straffte die Schultern.
    Das Anwesen der Richters war eine weitläufige Villa im klassischen Stil. Vier mächtige Steinsäulen säumten den Eingang und trugen eine Veranda, die sich über die gesamte Fassadenbreite erstreckte. Die Wände waren in einem kräftigen Zitronengelb gestrichen.
    Jakab imitierte Albert Bauers reizlosen Gang und füllte die von ihm geschaffene Maske mit perfekt kopierten Eigenarten des deutschen Chemikers aus, stieg die Treppe hoch und betätigte die Klingel. Er erwartete, dass ihm ein Dienstmädchen öffnete, doch als die Tür aufschwang und Anna vor ihm stand, wich er einen überraschten Schritt zurück und wäre beinahe gestolpert.
    Als sie ihn vor sich stehen sah, hob sie fragend die Augenbrauen. «Albert? Was für eine Überraschung! Ich dachte, du bist im Laboratorium?»
    Er starrte sie an, und sein Herz ging auf. Die Ähnlichkeit mit Erna … und die vielen Dinge, die anders waren als bei ihr.
    «Albert?»
    «Äh … ja. Ich war dort. Aber ich dachte, ich komme und besuche dich. Albern, ich weiß, aber ich wollte dich sehen.»
    Sie machte ein Gesicht. «Wirst du denn keinen Ärger bekommen?»
    «Bestimmt nicht. Ich habe hart gearbeitet. Ich habe mir ein wenig freie Zeit verdient.»
    Anna öffnete die Tür ganz. «Na, dann komm herein, komm herein! Du musst halb erfroren sein. Um die Wahrheit zu sagen, es ist nicht viel wärmer im Haus, aber im Salon brennt ein hübsches Feuer. Ich lasse uns Kaffee bringen, wenn du magst.»
    «Sind deine Eltern zu Hause?»
    «Vater ist in seinem Arbeitszimmer. Aber er hat sicher nichts dagegen.»
    «Und Hans?»
    «In die Stadt gefahren.»
    «Ah.» Jakab betrat den Flur. Anna schloss hinter ihm die Tür und führte ihn dann in den Salon.
    Es war nicht das erste Mal, dass er gewagt hatte, sie zu

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