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Der Bann (German Edition)

Der Bann (German Edition)

Titel: Der Bann (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stephen L. Jones
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«Aber sicher wisst ihr das. Ihr müsst es wissen.»
    «Bitte, Jakab. Tu das nicht.»
    Er trat vor Helene und streckte die Hand nach ihrem Gesicht aus. Sie wich vor ihm zurück, doch sie kam nicht weit genug, und er packte ihr Kinn und drehte ihren Kopf zu sich. Sie wollte ihm immer noch nicht in die Augen sehen. «Wo finde ich sie?», fragte er leise.
    Die Frau schluchzte.
    «Jakab, du weißt, dass das falsch ist», sagte Hans hinter ihm. «Du musst es wissen. Denk an Erna, Jakab. Was hätte sie gewollt.»
    «Was weißt du schon, was Erna gewollt hätte!»
    «Jakab, ich war mit ihr verheiratet.»
    «Und das nächste Mal, wenn du meinst, mich daran erinnern zu müssen, werde ich deiner Schwiegertochter die Lippen abschneiden, verstehst du?» Er wandte sich zu Carl um und benutzte die Spitze des Messers, um Carls Gesicht zu sich herumzudrehen. «Sieh mich an, Carl. Sieh mich einfach nur an. Na, so schwer war das doch gar nicht, oder? Ich bin kein Monster. Ich will deiner Tochter nichts tun. Ich will
dir
nichts tun. Aber ihr müsst mir sagen, wohin Anna gegangen ist. Ich weiß, dass ihr das versteht, tief in eurem Innern. Ich liebe Anna, Carl. Ich muss sie finden.»
    Das Gesicht des Mannes hatte jegliche Farbe verloren. Sein Adamsapfel tanzte auf und ab. «Wir wissen nicht, wohin sie gegangen sind. Warum um alles in der Welt hätten sie uns das verraten sollen? Sie wussten nicht einmal selbst, wohin sie gehen würden.»
    «Ein Vater wird es wissen.»
    «Ich schwöre, Jakab, ich –»
    « EIN VATER MUSS DAS WISSEN !»
    Jakab zog die Klinge von Carls Kinn zurück und zwang sich, auf Abstand zu gehen. Er ging ruhelos durch den Raum, während sein Kopf voll war von Gedanken an Anna, an Erna, an Anna. Von einem Moment zum anderen wurden diese Gedanken dunkler und dunkler, fingen an, ihn zu verspotten und sich über ihn lustig zu machen, und wollten nicht mehr aufhören.
    Er stellte sich vor, wie Anna und Albert durch die Nacht fuhren, der deutsche Chemiker am Steuer, Annas Hand auf seinem Oberschenkel.
    Er stellte sich vor, wie sie in einem Hotel einkehrten, noch voller Angst nach ihrer überstürzten Flucht und zugleich belebt, aufgepeitscht, getrieben. Diese Energie würde sich in Leidenschaft entladen, sie zueinander hinziehen, ihnen die Zuversicht geben, dass sie obsiegen konnten.
    Es fühlte sich an, als wäre ein Tumor in seinem Kopf geplatzt.
    Er umrundete das Sofa, trat von hinten hinter Helene, riss ihren Kopf zurück und holte mit dem Messer aus. «Letzte Chance, Hans!», sagte er. «Ich meine es ernst. Sag mir, wo sie hin sind, auf der Stelle, oder ich mache sie so verdammt hässlich, dass du es nicht über dich bringst, sie je wieder anzusehen.»
    Auf dem Lehnsessel senkte Hans den Kopf. Er begann leise zu beten.
    Neben Helene folgte Carl seinem Beispiel.
    Jakab stand da wie erstarrt, eine Hand an Helenes Schopf, die andere mit dem Messer hoch erhoben, bereit, zuzustoßen.
    «… und vergib uns unsere Schuld, wie auch wir vergeben unseren Schuldigern …»
    Die Klinge fuhr herab.
    Helene Richter bäumte sich auf. Schrie.
    «… erlöse uns von dem Bösen …»
    Mit zurückgezogenen Lippen, die Zähne entblößt, wild entschlossen, ihre Worte zu ersticken und ihnen die Sinnlosigkeit ihrer Gebete zu demonstrieren, zerschnitt Jakab ihr das Gesicht.
     
    Später, viel später, nachdem das Schreien geendet hatte und alles Leben aus ihnen gewichen und das einzige Geräusch im Raum das stetige
Tropf-Tropf-Tropf
von Blut in die großen Lachen auf dem Teppich war, musste Jakab einräumen, dass der alte Mann wohl die Wahrheit gesagt hatte. Er hatte nichts gewusst. Keiner der drei hatte gewusst, wohin Anna mit Albert verschwunden war.
    Doch da war es längst zu spät gewesen. Es hätte auch kaum noch etwas ausgemacht. Weil Jakab, nachdem er erst angefangen hatte zu schneiden, viel zu erregt gewesen war, um damit wieder aufzuhören.

Kapitel 21
    Region Aquitaine, Frankreich
    Heute
    T age vergingen, doch für Hannah hätten es genauso gut Wochen oder auch nur Stunden sein können. Sie wand sich im Schmerz ihres Verlustes, drückte den Stachel noch tiefer, ließ sein Gift durch ihre Adern kreisen und sich von seinen Widerhaken ausweiden, sich aller Hoffnung berauben, aller Erinnerungen, aller Bedeutung.
    Sebastien schaufelte am Seeufer ein Grab für Nate. Er arbeitete, so schnell er in der kühlen Herbstluft konnte. Der Boden war gefroren und felsig, und er kam nicht gut voran. Nieselregen hüllte ihn ein und machte ihm

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