Der Bann (German Edition)
dich gefälligst zusammen und denk an Leah statt an dich! Wie hast du dich gefühlt, als deine Mutter starb? Was hast du damals gebraucht? Hat Charles dich auch gegen eine Flasche Brandy eingetauscht? Mein Gott, Hannah!»
Sie presste die Hände auf die Ohren, und Tränen strömten ihr über die Wangen. «Aufhören! Bitte, hör auf!», wimmerte sie. «Es … es tut mir leid, Sebastien, es tut mir wirklich leid. Bitte … hör auf. Hör auf.» Sie verschränkte die Arme und schaukelte im Stuhl vor und zurück. Zitternd. «Was soll ich tun?»
Sebastien wandte ihr den Rücken zu und verließ den Raum. Als er zurückkam, hatte er eine Decke bei sich. Er legte ihr die Decke über die Schulter. «Du wirst es überleben, Hannah. Begrabe deine Trauer für den Augenblick. Verwandle sie in Wut. Du musst.»
«Nachdem du mir das Sedativum gegeben hattest, im Farmhaus von Llyn Gwyr, da dachte ich … ich dachte, ich hätte …» Sie hob den Blick und sah ihn an. «War das mein Vater?»
Sebastien senkte den Kopf. «Ich hatte gehofft, du würdest dich nicht daran erinnern.»
«Ich hatte gehofft, ich hätte das nur geträumt. Also habe ich ihn ebenfalls verloren, und ich kann nicht einmal noch mehr trauern. Ich bin leer.»
«Ich weiß.»
«Jakab hat ihn dort festgebunden, um mich zu verhöhnen, nicht wahr? Um mich zu bestrafen. Er hat ihn mit dem verdammten Journal in den Händen an dem Schild festgebunden. Meinst du, er ist schnell gestorben?» Sie schüttelte den Kopf, verwarf die Frage. Sie wollte lieber keine Antwort. «Diese Kreatur hat meinen Großvater getötet, meine Mutter, und jetzt hat sie mir meinen Vater genommen und meinen Mann.»
«Ich habe es schon einmal gesagt, aber es ist eine schlimme Geschichte. Sie muss enden. Ich werde alles tun, was in meiner Macht steht, um dafür zu sorgen, dass sie endet.»
«Dann stehen wir vor dem Endspiel?»
«Es fühlt sich so an, ja.»
«Wenn es so weit ist und ich nicht überlebe … wirst du dafür sorgen, dass sich jemand um Leah kümmert?»
«Das musst du mich nicht fragen.»
«Aber ich muss die Antwort von dir hören. Ich habe so ein Gefühl, dass wir ganz dicht davorstehen. Wenn ich eine Chance habe, ihn zu töten, und wenn diese Chance bedeutet, dass ich mein eigenes Leben opfern muss, dann ergreife ich sie, wenn ich weiß, dass Leah versorgt ist. Es tut mir leid, Sebastien, ich habe niemanden sonst, den ich fragen könnte.»
Der alte Mann kauerte sich vor sie und nahm ihre Hände in seine eigenen. «Wenn es dazu kommen sollte, Hannah, dann kümmere ich mich darum, dass Leah versorgt ist. Und nicht nur durch mich. Du überlässt sie nicht einem einsamen Leben in den Bergen, keine Angst. Sie wird in Sicherheit sein und behütet.»
«Danke, Sebastien. Danke für alles.» Sie schlug die Hand vor den Mund. «Wir haben ihn nicht einmal begraben. Ist er immer noch an dieses Schild gebunden?»
«Ich habe Leute, die sich darum kümmern.»
«Deine alten Kontakte.»
«Einige von den guten, ja.»
«Haben wir sie getroffen?»
«Kurz.»
Sie nickte. Und dann kam ihr ein weiterer Gedanke. «Gabriel.»
«Was ist mit ihm?»
«Ich weiß nicht. Findest du es nicht auch befremdend, dass er einfach so davongeritten ist?»
«Du meinst, nachdem du gedroht hast, ihn zu töten, und ihn dann bewusstlos geschlagen hast?»
«Ein weiterer Fehler. Ich habe eine ganze Menge Fehler gemacht, oder?»
«So hatte ich das nicht gemeint.»
«Es ergibt einfach keinen Sinn, wenn du mich fragst. Wenn er versucht hat zu entkommen, warum ist er dann nicht in eine andere Richtung geritten?»
«Anstatt direkt an dir vorbei und über die Brücke, vor die Läufe deiner Flinte, meinst du?»
«Es sah eher danach aus, als hätte er Jakab verfolgt, und nicht, als hätte er vor uns fliehen wollen.»
Sebastien knurrte. «Verdammt. Ich bin ein alter Narr. Daran habe ich gar nicht gedacht. Aber jetzt, wo du es sagst, kann ich dir nicht widersprechen.»
«Ich hatte ständig das Gefühl, als würde er sich über mich lustig machen. Als wüsste er etwas. Zu der Zeit hielt ich es für Paranoia. Ich hätte meinen Instinkten vertrauen sollen. Ich frage mich, wo er jetzt steckt.»
«Ich bin hier.»
Gabriel betrat die Küche und schloss die Terrassentür hinter sich. Er blieb für einen Moment stehen, während er aus Augen wie blauem Azurit ihre Reaktionen abwartete. In der rechten Hand hielt er einen Seesack, den er nun auf den Boden stellte. Auf seinen Wangen spross ein Stoppelbart. Sein Gesicht war
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