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Der Bann (German Edition)

Der Bann (German Edition)

Titel: Der Bann (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stephen L. Jones
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dürfen. Die ganze Unternehmung war von Anfang an ein Desaster.»
    «Ein Desaster für uns.»
    «Meinst du, das weiß ich nicht? Was glaubst du, warum ich aufgehört habe? Warum ich weggegangen bin?»
    «Ich bin nicht hier, um eine Antwort auf diese Frage zu finden», erwiderte Gabriel. «Ich bin hier, um Hannah zu helfen.»
    Hannah hatte Sebastien eine Hand auf die Schulter gelegt. Ihr gefiel der feindselige Ton zwischen den beiden Männern nicht. «Woher wissen Sie so viel über Sebastien?»
    «Wenn die eigene Familie – die eigene Gesellschaft – in einem Genozid ausgelöscht wird, den die Geschichte euphemistisch als
Keulung
umschreibt, dann entwickelt man einen scharfen Blick für die, die danach trachten, einem Leid zuzufügen.»
    «Ich wollte den
hosszú életek
nie Leid zufügen», sagte Sebastien. «Herrgott im Himmel, ich war in sie verliebt! Ich wollte sie wiederfinden, das war alles!»
    Gabriel fuhr fort, als hätte er ihn gar nicht gehört: «Wir kennen nicht die Identität von jedem Mitglied des Eleni-Konzils. Aber diejenigen, die uns bekannt sind, stehen unter Beobachtung. Als Sebastien nach Snowdonia ging, erklärte ich mich bereit, ihn im Auge zu behalten. Ich bezog einen Hof in seiner Nähe.»
    «Wie lange ist das her?», fragte Hannah.
    «Ungefähr acht Jahre.»
    «Acht Jahre? Das ist eine verdammt lange Zeit allein in einer so verlassenen Gegend, nur, um das Kommen und Gehen eines alten Mannes zu beobachten.»
    Gabriel zuckte die Schultern. «Acht Jahre sind nicht so schlimm. Es war eine wichtige Aufgabe.»
    Hannah erinnerte sich, wie verzweifelt allein Gabriel gewirkt hatte während ihres gemeinsamen Ausrittes auf den Cadair Idris. Sie war unschlüssig. «Woher soll ich wissen, dass Sie die Wahrheit sagen? Woher weiß ich, dass Sie nicht Jakab sind?»
    «Können wir uns an den Tisch setzen?»
    «Warum?»
    «Wenn Sie mir zwei Minuten Ihrer Zeit schenken, zeige ich es Ihnen.»
    Hannah blickte von Gabriel zu Sebastien und wieder zu dem Iren. «Warum sollte ich Ihnen vertrauen?»
    «Sollten Sie nicht. Andererseits – was haben Sie schon zu verlieren?»
    Sie starrte ihn noch ein paar Sekunden länger an, dann zog sie einen Holzstuhl heran und setzte sich an den Tisch.
    Gabriel nahm ihr gegenüber Platz. «Es gibt etwas, das Sie möglicherweise nicht wissen über Balázs Jakab. Einen Geburtsfehler. Selten und äußerst beklagenswert.»
    «Seine Augen», erwiderte sie. «Er kann ihre Farbe nicht kontrollieren.»
    «Hundert Punkte. Sie haben Ihre Hausaufgaben gemacht. Aber
lélekfeltárás
 – so nennen wir es – ist mehr als nur eine Farbänderung, ein Mittel zur Tarnung. Es ist unsere Methode, uns einander zu offenbaren. Man könnte sagen, die intimste Form von Äußerung. Natürlich gibt es verschiedene Abstufungen. Ein vollkommenes
lélekfeltárás
gibt es nur zwischen Liebenden. Oder potenziellen Liebenden.»
    «Zeigen Sie mir, was Sie meinen.»
    Er hob die Augenbrauen.
    «Zieren Sie sich nicht so. Zeigen Sie es mir.»
    Gabriel ergriff ihre Hände. Sie zuckte vor seiner ersten Berührung zurück, doch dann zwang sie sich zu entspannen und es geschehen zu lassen. Sie musste es wissen. Sie musste dieses
lélekfeltárás
sehen.
    Seine Berührung war sanft, seine Finger warm. «Sehen Sie mich an», sagte er. «Versuchen Sie nicht zu denken, sich nicht zu verkrampfen. Öffnen Sie einfach die Augen, und sehen Sie in meine.»
    Hannah tat wie geheißen. Sie blickte in Pupillen, die umgeben waren von atemberaubend blauen Iriden. Sie hatte von
lélekfeltárás
gelesen. Hans Fischer hatte in einem seiner Tagebücher viel zu diesem Thema geschrieben. Sie konzentrierte sich auf Gabriels Pupillen und bemerkte, dass das Kobaltblau genau genommen nur der dominierende Farbton von drei unterschiedlichen Blauschattierungen war. Dunklere Noten von Ultramarin und Kornblumenblau waren beschränkt auf die äußeren Ränder.
    Seine Augen schienen sich zu weiten, zu pulsieren, und plötzlich erschienen an den Rändern der Pupillen Ringe aus goldenen Punkten. Die Punkte wurden größer, flammten wie Feuer, lösten sich und schwebten wie chinesische Lampions über einen Ozean in Richtung des Weißen seiner Lederhäute. Hannah spürte, wie sich ihr Herzschlag beschleunigte, wie ihre Haut anfing zu jucken. Weitere Ringe aus goldenen Lichtern erschienen, lösten sich und schwebten an die Ränder von Gabriels Iriden. Das Kobaltblau wurde dunkler, stellenweise durchsetzt von Malve.
    Hannahs Hände packten die seinen

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