Der Bann (German Edition)
Katastrophe», schloss er.
Nicole erhob sich von ihrem Platz, ging zur Arbeitsfläche, nahm das Notizbuch und blätterte durch die Seiten. Sie fand das Rezept für den Baiserkuchen mit dem beschriebenen Kreuz und kam damit zum Tisch zurück, um es ihrer Mutter zu zeigen. «Danke. Es tut mir wirklich leid, dass ich –»
«Sie müssen sich nicht entschuldigen. Hören Sie, bleiben Sie heute Nacht hier. Ich habe ein Gästezimmer. Wir können uns später weiter unterhalten, wenn Sie mögen. Wenn nicht, auch gut. Ich fürchte, ich habe nicht viele Vorräte im Haus. Also muss ich noch mal kurz los. Ich muss ein paar Dinge erledigen, aber anschließend gehe ich einkaufen und mache uns ein Abendessen. Vielleicht wird danach alles klarer.» Er hoffte, dass sie sich vielleicht entspannen würde, wenn er ihr zeigte, dass er ihr vertraute. «Fühlen Sie sich wie zu Hause. Nehmen Sie sich, was immer Sie brauchen. Ich bin höchstens zwei Stunden weg.»
Nicole starrte wortlos auf die Teeblätter am Boden ihrer Tasse.
Um sieben Uhr abends kehrte Charles mit drei vollen Einkaufstüten zurück. Es gab Linguine mit Muscheln und Estragon in einer Weißwein-Sahne-Soße. Dazu öffnete er eine Flasche Chablis, und schon bald holte er die zweite Flasche aus dem Kühlschrank.
Während sie aßen, erzählte Charles von seiner Arbeit an der Universität. Ihm fielen die Texte ein, die sie gelesen hatte, und er steuerte die Unterhaltung auf das mittelalterliche Osteuropa. Nicole blieb wortkarg, doch sie stellte ihm hin und wieder Fragen und lauschte aufmerksam seinen Antworten.
Er erzählte ihnen von seinen anderen Projekten. Dass die BBC ihn beauftragt hatte, eine fünfteilige Radioserie über das mittelalterliche Europa zu schreiben und zu moderieren. Die beiden ersten Episoden waren in den letzten Wochen gesendet worden. Er hatte nur ein bescheidenes Honorar erhalten, doch die Zuhörerzahlen waren bis jetzt vielversprechend gewesen, und sein Produzent sprach bereits von einem größeren Nachfolgeprojekt.
Hinterher räumten sie den Tisch ab, und Nicole half ihm beim Abwasch. Er setzte Kaffee auf, und sie gingen damit ins Wohnzimmer. Nicole und ihre Mutter nahmen auf dem schmalen Sofa gegenüber seinem Lehnsessel Platz.
«Ich habe mir überlegt, wie ich Sie beide nach Frankreich zurückbringen kann», eröffnete er ihnen. «Es dauert noch ein paar Tage, bis ich alles arrangiert habe, aber Sie sind herzlich willkommen, solange bei mir zu wohnen.»
«Uns zurück nach Frankreich bringen?», fragte Nicole überrascht. «Wie das?»
Charles konnte sich ein Grinsen nicht verkneifen.
Kapitel 5
Snowdonia
Heute
H annah hielt den Schaft der Schrotflinte fest an die Schulter gedrückt und zielte über die beiden Läufe hinweg auf die Brust des alten Mannes. Sie stand nur ein paar Meter von ihm entfernt, doch sie hatte gesehen, wie schnell er sich bewegen konnte. Sie würde ihm keine Chance geben zu reagieren.
Seine Augen blitzten, als er die Waffe sah. Hannah fühlte sich eingeschüchtert von der Macht, die sie ausstrahlten. Sein Gesichtsausdruck blieb unergründlich, als er langsam die Hände hob.
«Nicht», zischte Hannah. «Lassen Sie die Hände, wo sie sind. Legen Sie sie in den Schoß.
Jetzt.
Glauben Sie nicht, ich würde nicht abdrücken. Geben Sie mir nur den kleinsten Grund zu schießen, und Sie sind tot, das verspreche ich Ihnen. Wenn Sie sich von diesem Stuhl erheben, sind Sie tot. Wenn ich Ihnen eine Frage stelle und Sie antworten nicht, sind Sie tot. Wenn Ihr gottverdammter Hund auch nur eine Bewegung macht, sind Sie tot. Haben Sie das verstanden?»
Er warf einen schnellen Blick zu Moses, der vor dem Kamin lag, bevor er mit Bedacht antwortete: «Wenn Sie sind, wer Sie zu sein vorgeben, haben Sie nichts von mir zu befürchten.»
«Ich bin diejenige mit der Waffe in der Hand, alter Mann. Ich habe überhaupt nichts von Ihnen zu befürchten.»
Er fuhr fort, als hätte sie ihn nicht unterbrochen: «Wenn Sie nicht Hannah Wilde sind – wenn Sie der andere sind –, dann kenne ich Ihre Geheimnisse. Tun Sie, was Sie wollen. Ich bin zu alt, um Angst zu haben. Ich habe meinen Frieden mit der Welt gemacht, und ich bin bereit, mich dem zu stellen, was auch immer als Nächstes kommt. Erschießen Sie mich – erschießen Sie mich in dem Wissen, dass wir Ihnen immer näher kommen und dass es vielleicht der letzte Mord ist, den Sie begehen.»
Sie erkannte am raschen Heben und Senken seiner Brust, dass er nicht so gelassen war, wie
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