Der Barbar aus den Highlands
sein«, meinte er gedehnt und legte die Hand auf den Schwertknauf.
»Du kannst Sir Fergus doch nicht einfach töten, nur weil ich mit ihm verlobt bin.«
»Ich finde, das ist ein ziemlich guter Grund«, sagte er, umfasste sie an der Taille und hob sie in den Sattel.
Cecily bemühte sich um eine gelassene Miene, als er hinter ihr in den Sattel kletterte und die Zügel in die Hand nahm. Er hatte geklungen, als sei es sein voller Ernst. Sie hätte sich daran berauschen können, wenn sie auch nur einen Moment geglaubt hätte, er wäre so eifersüchtig auf Sir Fergus, dass er ihn am liebsten umgebracht hätte. Doch das glaubte sie nicht. Es mochte eine Spur Eifersucht oder Besitzanspruch hinter diesen Worten stecken, aber hauptsächlich wollte Artan den Mann wohl aus vielen anderen Gründen töten. Sir Fergus hatte zweifellos hinter den Angriffen in Dunburn gesteckt, und Artan schien davon überzeugt, dass der Mann auch ihr nach dem Leben trachtete.
Sie musterte etwas geistesabwesend die Landschaft, die sie durchquerten, und überdachte abermals alles, was Artan ihr gesagt hatte. Sie glaubte nicht mehr, dass er sie belogen hatte, um sie dazu zu bringen, mit ihm nach Glascreag zu gehen; nein, mittlerweile war sie davon überzeugt, dass er seine Beschuldigungen für die reine Wahrheit hielt. Der Teil von ihr, der ihm glauben wollte, wurde mit jedem Tag stärker, und das kam nicht nur daher, weil Artans Küsse ihren Verstand völlig benebelten. Langsam entrang er ihr alle möglichen Erinnerungen an die Zeit unter der Herrschaft von Sir Edmund und Lady Anabel und auch die wenigen, die sie an Sir Fergus hatte.
Sie wollte, dass er damit aufhörte, diese Erinnerungen zu wecken und Gedanken und Gefühle ans Tageslicht zu zerren, die sie so tief wie möglich in sich vergraben hatte. Doch sie konnte verstehen, warum er das tat: Er versuchte, sie dazu zu bringen, die Wahrheit einzusehen. Es fiel ihr zunehmend schwer, alles nur als seine Wahrheit zu bezeichnen. Nahezu alles, woran sie sich erinnerte, schien seinen Behauptungen Gewicht zu verleihen und es ihr immer unmöglicher zu machen, ihre Pflegeeltern und ihren Verlobten zu verteidigen oder eine Entschuldigung für sie zu finden. Am schlimmsten war allerdings, dass ihr dabei auch aufging, wie oft sie sich selbst belogen hatte, und wie sehr sie sich dazu gezwungen hatte, alles zu vergeben und zu vergessen. Allmählich erkannte sie, wie traurig und elend ihr Leben in den letzten zwölf Jahren gewesen war.
Ab und zu ärgerte sie das sehr, obwohl sie wusste, dass Artan ihren Zorn nicht verdient hatte. Die Geschichten, die er ihr von seinem Leben und seiner Familie erzählte – Geschichten von lauter liebevollen Verwandten –, verstärkte ihren Ärger und ihr Elend nur. Sie hatte zwar früh ihre Mutter verloren, aber ihr Vater hatte dafür gesorgt, dass es ihr und ihrem Bruder an nichts mangelte. Doch dann war ihr dieses gute Leben brutal entrissen worden. Mittlerweile war ihr auch wieder eingefallen, dass ihr sogar die ehemaligen Bediensteten weggenommen worden waren, von den Mägden hin zu den Schweinehirten. Von dem Tag an, als die alte Meg sie nach der Tragödie heimgebracht hatte, waren ihr alle vertrauten Gesichter vorenthalten worden. Die alte Meg war die Letzte gewesen, die gehen musste, und danach war sie völlig allein gewesen.
Es musste einen Grund dafür geben, doch leider fiel Cecily keiner ein, zumindest kein triftiger, mit dem sie Artan hätte nachweisen können, dass er sich irrte. Immer häufiger stellte eine kleine Stimme in ihrem Kopf leise die Frage: Hatte sie mit den Mördern ihrer Familie unter einem Dach gelebt und sich deren Willen gebeugt? Jedes Mal, wenn sie diese Möglichkeit überdachte, überlief es sie eiskalt.
Sie lehnte sich an Artan und schloss die Augen. Als sie spürte, dass er ihr einen Kuss auf den Scheitel drückte, lächelte sie. Der Zorn und das Gefühl der Kränkung unmittelbar nach ihrer Entführung waren nahezu verschwunden. Geblieben war nur noch ein winziges, hartnäckiges Misstrauen gegenüber seinem Verlangen nach ihr. Schließlich hatte er die Leidenschaft missbraucht, um sie zu entführen, und es beunruhigte sie, wenn sie spürte, wie die Begierde zwischen ihnen aufflackerte. Als sie sich eingestehen musste, dass diese Begierde eigentlich nie ruhte, schnitt sie eine Grimasse.
Doch warum wehrte sie sich so dagegen? Er sprach von Heirat; selbst wenn sie ihre Verlobung mit Sir Fergus auflöste, würde sie einen Gemahl haben, und
Weitere Kostenlose Bücher