Der Baron und die widerspenstige Schöne
warum ich denke, es wäre besser, die Reise abzusagen? Könntest du nicht einfach behaupten, ich sei krank? Dann könnten wir den Sommer auf dem Land verbringen.“ Hoffnungsvoll schaute Carlotta ihre Tante an. Doch diese schüttelte den Kopf.
„Davon wird dein Onkel nichts wissen wollen. Die Einladung kam ihm sehr gelegen.“
„Aber warum? Mr. Ainslowe ist zwar ein guter Bekannter, aber sicher wird es ihn nicht kränken, wenn wir den Besuch absagen.“
„So einfach ist das nicht, Carlotta.“ Lady Broxted zerknüllte die Bettdecke zwischen ihren Fingern. „Zu Mr. Ainslowes Hausgesellschaft kommen viele Gäste.“
„Umso weniger wird unsere Abwesenheit auffallen.“
„Er hat auch Lord Fairbridge und Mr. Woollatt eingeladen, die beide zugesagt haben.“
Carlotta lächelte. „Sicher werden sie eine vergnügliche Zeit verbringen.“
„Du verstehst nicht, Carlotta! Broxted hat dafür gesorgt, dass sie eingeladen wurden, weil er erwartet, dass einer der beiden dir in Malberry Court einen Antrag macht.“ Schweigen senkte sich über das Zimmer, nur unterbrochen von dem gleichmäßigen Ticken der Kaminuhr. Ruhelos strich Lady Broxted über die Bettdecke. „Dein Onkel legt großen Wert darauf, dass du eine gute Partie machst, Carlotta. Er hegt große Hoffnungen für dich. Lady Fairbridge hat angedeutet, dass sie dich gern als Braut ihres Sohnes sehen würde, und Mr. Woollatt hat dich am gestrigen Abend gleich zweimal zum Tanz aufgefordert. Das ist sehr ermutigend. Daher hat dein Onkel die Einladung nach Malberry Court sofort angenommen. Wir haben immer gesagt, dass dein Bräutigam nach einem Heiratsantrag von deiner wahren Herkunft erfahren soll. Und welch besseren Ort gibt es, um alles zu erklären, als Malberry, dem Ort, in dem deine Eltern leben? Wenn du nur nicht im Haus gearbeitet hättest, gekleidet wie ein Junge.“
„Es tut mir leid, Tante.“ Carlotta seufzte.
„Nun, wir müssen das Beste daraus machen.“ Lady Broxted warf die Bettdecke zurück. „Klingele bitte nach meiner Zofe. Ich werde deinem Onkel alles erklären.“
„Wird er sehr böse auf mich sein, was meinst du?“
„Möglicherweise. Viel wichtiger ist jedoch, zu entscheiden, wie wir nun vorgehen sollen. Wenn dein Onkel der Ansicht ist, wir sollten dennoch fahren, werden wir dies tun.“
„Tante, ich …“
Lady Broxted schaute sie fragend an. Carlotta wusste, jetzt war der Zeitpunkt gekommen, ihr von ihrer Bekanntschaft mit Lord Darvell zu erzählen, doch als sie sich vorstellte, welche Ausmaße ein solches Geständnis haben würde, verließ sie der Mut. Vielleicht würde Luke ihr Geheimnis ja auch gar nicht offenbaren. Möglicherweise ließ er sich überreden, sie nicht zu verraten.
„Ja, Liebes?“
Carlotta schüttelte den Kopf. „Ach, nichts …“
Einige Stunden später wurde Carlotta in Lord Broxteds Arbeitszimmer gerufen. Schüchtern trat sie ein und erblickte neben ihrem Onkel auch ihre Tante.
Lord Broxteds strenge Miene wurde weicher, als er sah, wie bekümmert seine Nichte wirkte. Mit einer Geste bedeutete er ihr, sich zu setzen.
„Deine Tante hat mir von eurem Gespräch erzählt“, sagte er in seiner grüblerischen, behäbigen Art. „Ich gebe zu, ich hatte zunächst auch einige Bedenken, als Ainslowe die Einladung aussprach. Man kann die Umstände, unter denen deine Eltern heirateten, wahrlich nicht begrüßen …“
Carlotta wollte aufbegehren, und er hob die Hand, um sie zum Schweigen zu bringen.
„Bitte lass mich ausreden. Dass deine Mutter mit einem italienischen Maler durchgebrannt ist, kann man nur als bedauernswert bezeichnen. Aber es ist nun mal nicht zu ändern. Sollte diese Tatsache vorzeitig bekannt werden, stellen wir uns dem eben. Dein Bräutigam muss ohnehin von deiner Herkunft erfahren, allerdings wäre es günstiger, wenn er davon erst Kenntnis erlangt, nachdem er dir einen Antrag gemacht hat. Zugegebenermaßen war es zunächst ein Schock zu hören, dass du weitaus öfter in Malberry Court gewesen bist, als wir annahmen. Hingegen sind die Vorteile dieser Reise um ein Vielfaches größer als das Risiko, dass man dich erkennt.“
„Oh, ich möchte aber nicht Gefahr laufen, dich in Verlegenheit zu bringen, Onkel“, warf Carlotta ein. „Sollten wir den Sommer nicht doch besser woanders verbringen. Vielleicht in Brighton?“
Missbilligung spiegelte sich in Lord Broxteds Miene. „Ich bin kein Anhänger des Prinzregenten und würde es vorziehen, wenn er und seine Gesellschaft nicht auf
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