Der Baron und die widerspenstige Schöne
noch Ihr Wunsch ist, dass ich heute mit Ihnen abreise, dann bin ich bereit dazu.“
Fast ein ganzes Jahr war seitdem vergangen, und wieder ließ er sie warten. Kurz nach Mittag wurde sein Besuch gemeldet.
„Bitte führen Sie Lord Darvell in die Bibliothek.“
Carlotta holte einige Male tief Luft, bis sich ihr Herzschlag wieder beruhigte, dann ging sie zu ihm. In einem olivgrünen Gehrock, Breeches und Schaftstiefeln stand er vor dem leeren Kamin, einen Arm auf das Sims gelegt. In der Hand hielt er ein Paar dunkle Lederhandschuhe. Sie dachte flüchtig, dass ihm diese ländlich anmutende Kleidung gut stand, und ihr fiel auch auf, dass die Sommersonne sein braunes Haar zu einem honiggoldenen Ton ausgebleicht hatte. Als sie die Bibliothek betrat, wandte er sich um und betrachtete sie stirnrunzelnd. Indes strahlte er nicht diese unbändige Wut aus, die er ihr bei ihren letzten Begegnungen entgegengebracht hatte. „Nehmen Sie doch bitte Platz, Mylord.“
„Was wollen Sie von mir, Madam? Ich bin mit der Karriole hier und möchte meine Pferde nicht länger stehen lassen als nötig.“
Sein schroffer Ton ließ ihr das Herz sinken. Kein vielversprechender Anfang. Entschlossen, sich von seiner Unhöflichkeit nicht aus der Fassung bringen zu lassen, setzte sie sich auf einen Stuhl.
„Vielen Dank, dass Sie meiner Bitte so schnell gefolgt sind.“
Er zuckte mit den Schultern. „Sie haben mich hierher bestellt.“
„Ich habe Sie um Ihren Besuch gebeten“, korrigierte sie ihn, mühsam den aufkeimenden Ärger bezwingend, „weil ich mit Ihnen … äh … Waffenstillstand schließen möchte.“ Er hob spöttisch die Augenbrauen, und sie errötete. „Wir werden uns in Malberry wohl kaum aus dem Weg gehen können, Mylord, und … äh, ich möchte Ihrem Bruder und seinen Gästen Peinlichkeiten ersparen.“
Er verzog verächtlich die Lippe. „Die einzige Peinlichkeit sind Sie, Miss Rivington.“
„Seien Sie doch nicht so kindisch“, gab sie zurück. „Denken Sie nur einen Augenblick darüber nach, in welche Verlegenheit Sie Ihren Bruder bringen, wenn Sie mich bloßstellen.“
Er trat auf sie zu. Fast bedrohlich ragte er über ihr auf. „Also schön, dann erzählen Sie mir bitte, warum Sie diesen … Waffenstillstand wünschen.“
Sie schaute auf ihre im Schoß gefalteten Hände. Forschend musterte er sie. Sein eindringlicher, prüfender Blick beunruhigte sie.
„Ich habe bereits gesagt, dass ich keine Unannehmlichkeiten wünsche.“
„Allerdings ist das noch lange kein Grund, mir zu schreiben und zu verlangen, mich zu sehen.“
Da riss ihr der Geduldsfaden. Die Hände zu Fäusten ballend, sagte sie: „Also gut, wenn Sie es unbedingt wissen wollen, dann sollen sie meinen Beweggrund erfahren. Mein Onkel erwartet, dass ich mich in Malberry verloben werde.“
Sie hatte es ausgesprochen. Luke hielt den Atem an. Ihm war zumute, als hätte er einen Schlag in die Magengrube erhalten. Unwillkürlich ballte er die Hände zu Fäusten. „Ach ja? Wer ist denn der Glückliche? Woollatt?“ Er lachte höhnisch. „Ihr Schweigen deute ich als Zustimmung, Miss Rivington. Sie haben ihren reichen Verehrer also an der Angel.“
Ob seines höhnischen Tons zuckte sie sichtlich zusammen. „Natürlich werde ich ihn, sofern er tatsächlich ernste Absichten hegt, über meinen Namen und meine Eltern in Kenntnis setzen. Allerdings würde ich gerne selbst entscheiden, wann der rechte Zeitpunkt dafür gekommen ist. Ich wäre Ihnen daher … dankbar, wenn Sie mir Ihr Wort geben würden, nichts zu äußern, was einen Antrag womöglich gefährden könnte.“
Sie hielt den Kopf gesenkt. Er konnte ihre Augen nicht sehen, doch ihre tiefroten Wangen verrieten sie. In dem Schweigen, das ihren Worten folgte, war einzig das Ticken der Uhr zu hören.
„Nein“, sagte er schließlich.
Ruckartig hob sie den Kopf. „Wie bitte?“
„Ich sagte Nein. Ein solches Versprechen werde ich Ihnen nicht geben.“
Sprachlos starrte sie ihn an, und er wandte sich rasch ab. Wenn er auch nur einen Augenblick länger in ihre traurigen braunen Augen blicken musste, würde er nachgeben und ihr womöglich gestehen, dass er nie wieder etwas tun würde, was ihr Kummer bereitete. Dann jedoch wäre er verloren. Wut kochte in ihm hoch. Er hatte ein Recht, Zorn zu verspüren, immerhin hätte sie ihn beinahe in die Knie gezwungen! Um ein Haar hätte er ihr tatsächlich sein Herz geschenkt und ihr damit mehr angeboten als jeder anderen Frau zuvor. Zum Glück hatte er
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