Der Baron und die widerspenstige Schöne
reglose Carlotta. „Es wird nicht mehr lange dauern.“
Sie antwortete nicht, blickte unverwandt nach vorn. Luke empfand die Stille zwischen ihnen als unbehaglich. Unerträglich.
„Ich bin an jenem bewussten Morgen übrigens zu eurem Haus gekommen“, sagte er schließlich. „Lord Broxted muss kurz vor mir eingetroffen sein.“
Fest umklammerte er die Zügel. Er erinnerte sich daran, wie aufgeregt er damals gewesen war. Plötzlich war ihm der braune Gehrock nicht mehr fein genug erschienen, um darin einen Heiratsantrag zu machen, und er hatte sich gewünscht, er hätte seinen Diener mitgebracht, um Eindruck zu schinden.
„Das Fenster stand offen, und im Vorübergehen hörte ich, wie Broxted sagte, er wolle dich in die Stadt mitnehmen. Es war dein Geburtsrecht, Carlotta. Diese Chance durfte ich dir nicht nehmen.“
Broxteds Worte hallten in seinem Kopf mit schmerzhafter Deutlichkeit wider. Carlotta soll mit uns kommen und den ihr angestammten Platz in der Gesellschaft einnehmen. Wir werden sie wie unsere eigene Tochter behandeln, ihr jegliche Annehmlichkeit bereiten. Ich werde ihr sogar die Mitgift aussetzen, die dir zugestanden hätte, liebe Schwester. Carlotta soll die Möglichkeit erhalten, eine gute Partie zu machen – nein, eine hervorragende Partie –, wie sie der Enkelin eines Earls zukommt.
„Also bist du wieder gegangen.“ Carlottas ruhige Feststellung schnitt tief in sein Herz.
„Ja, es tut mir leid.“
Er verfluchte sich selbst für die unzulänglichen Worte. Sollte er ihr erzählen, wie sehr er sich hatte überwinden müssen, den Ort an jenem Tag zu verlassen? Wie er sich in die Renovierung von Darvell Manor gestürzt hatte, nur um Carlotta zu vergessen? Er warf ihr einen flüchtigen Blick zu. Nein. Seine Entschuldigung rührte sie nicht. Es war zu spät.
10. KAPITEL
Nur drei Stunden später fuhren sie über die Hauptstraße von Malberry.
„Ich wette, es gibt nicht eine lebende Seele, die diese Zeit schlagen könnte“, meinte Billy stolz, als sie vor dem Haus der Durinis hielten.
Carlotta hörte ihn kaum. Sobald die Kutsche stand, sprang sie aus dem Wagen. Während Luke noch damit beschäftigt war, seinem Pferdeburschen Anweisungen zu geben, war sie bereits durch die Tür gestürmt und lief die Treppe hinauf.
„Mama!“
Mrs. Durini erschien auf dem oberen Treppenabsatz. Carlotta warf sich in ihre Arme.
„Wo ist Papa? Was ist geschehen?“
„Carlotta! So beruhige dich doch, mein Kind.“ Ihre Mutter drückte sie liebevoll an sich. „Ich bin ja so froh, dass du so schnell kommen konntest.“
„Das war doch selbstverständlich. Deine Nachricht …“
„Oh je, habe ich dich sehr geängstigt? Hätte ich den Brief nur später verfasst. Allein, ich konnte keinen klaren Gedanken fassen, als der Doktor zunächst befürchtete, dass … Aber das war gestern. Heute geht es deinem Papa schon viel besser, und Doktor Johnson ist zuversichtlich, dass er wieder völlig genesen wird.“
„Darf ich zu ihm?“
„Der Arzt hat ihm ein Schlafmittel verabreicht, aber du kannst natürlich kurz nach ihm sehen.“
Carlotta voran betrat sie das Schlafzimmer. Ihr Vater lag in der Mitte des großen Bettes, die Decken bis zum Kinn hochgezogen. Eine Seite seines Gesichtes wies schwere Prellungen auf. Die bläulichen Flecken auf Stirn und Wangen boten einen erschreckenden Kontrast zur weißen Bettwäsche. Entsetzt presste Carlotta die Hand vor den Mund, um einen Aufschrei zu unterdrücken.
„Er schläft“, sagte ihre Mutter leise. „Doktor Johnson sagte, er brauche so viel Ruhe wie möglich.“
Sanft berührte Carlotta die angeschwollene Wange ihres Vaters. „Wer hat ihm das nur angetan?“
Ihre Mutter legte ihr die Hand auf die Schulter.
„Komm nach unten, Liebes. Bessie wird bei ihm wachen, während ich dir erzähle, was ich weiß.“
Den Griff auf dem Geländer, da sie fürchtete, ihre Knie könnten jeden Moment nachgeben, folgte Carlotta ihrer Mutter die Stufen hinunter. Sie betraten das kleine Wohnzimmer, in dem Luke bereits auf sie wartete.
„Bitte verzeihen Sie mein Eindringen, Mrs. Durini“, grüßte er. „Die Tür stand offen …“
„Darf ich dir Lord Darvell vorstellen, Mama. Er hat mich herkutschiert.“
Mit ausgestreckten Armen ging ihre Mutter auf ihn zu und hieß ihn willkommen. „Ich bin Ihnen aufrichtig dankbar, Mylord“, meinte sie. „Ich wagte nicht zu hoffen, Carlotta schon so bald hier zu sehen.“
Luke verbeugte sich. „Als Ihre Nachricht eintraf, leistete
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