Der Baron und die widerspenstige Schöne
respektvoller Entfernung stehen.
Der Hügel war dem Wetter ausgesetzt, und trotz des Sommersonnenscheins wehte eine frische Brise. Da sie ihren Spenzer nicht trug, spürte sie den Wind kühl über ihre nackten Arme streichen. Die Landschaft war von friedlicher Ruhe erfüllt. Nur das Rascheln der Blätter und das fröhliche Tirilieren einer Feldlerche durchbrachen die Stille. Dann endlich vernahm sie entfernt das unmissverständliche Geräusch einer sich im hohen Tempo nähernden Kutsche. Immer lauter wurde das Räderrattern, bis sie schließlich zwei Kutschen den Hügel hinaufrasen sah, die kurz darauf am Wegesrand hielten. Aus der einen Kutsche sprang James Ainslowe. Laut Anweisungen erteilend, lief er auf sie zu. Carlotta stand auf, doch ihre zitternden Beine wollten sie nicht tragen. Sie stolperte und fiel gegen eine tröstlich starke Brust. Gleich darauf wurde sie von starken Armen hochgehoben. Als sie aufschaute, sah sie in Lukes besorgtes Gesicht. Beruhigend lächelte er sie an.
„Es ist alles in Ordnung. Nun bist du in Sicherheit, cara .“
Sie legte die Wange an seine Schulter. „Ja, das bin ich“, seufzte sie.
Carlotta verspürte eine tiefe Enttäuschung, als sie wieder zu Sinnen kam und sich auf ihrem Bett wiederfand statt in Lukes Armen. Lady Broxted eilte geschäftig hin und her und versuchte sie davon zu überzeugen, bis zum nächsten Morgen auszuruhen. Davon wollte sie indes nichts hören. Ihr rechter Arm schmerzte immer noch stark, offenbar hatte sie ihn sich bei dem Unfall verrenkt, als sie sich krampfhaft festgeklammert hatte. Sonst aber hatte sie keine Verletzungen davongetragen und war entschlossen, zum Dinner hinunterzugehen. Möglicherweise war dies die letzte Gelegenheit, mit Luke zu sprechen, bevor Mr. Woollatt zurückkehrte. Sicher konnte man es nicht für unziemlich halten, wenn sie ihm für seine Hilfe dankte.
Als sie den Salon betrat, sprang Mrs. Price sofort auf.
„Oh, meine liebe Miss Rivington! Halten Sie es für klug, bereits aufzustehen? Sollten Sie sich nicht besser noch schonen?“
„Nun ja, es geht mir inzwischen wieder recht gut. Ich bin ein wenig durchgeschüttelt worden, aber es ist nichts Ernstes, gar nicht zu vergleichen mit den Verletzungen, die Mrs. Ainslowe erlitten hat. Ich glaube, sie wird die nächste Zeit das Bett nicht verlassen können.“
Mr. Price schüttelte seufzend den Kopf. „In der Tat, das ist wahr. Als Ainslowe sie ins Haus trug, war sie so weiß wie ihr Spitzentaschentuch, und der arme Mann sah ausgesprochen besorgt drein. Da er nicht hier ist, nehme ich an, er weilt immer noch bei seiner Gemahlin. Habe ich recht, Darvell?“
„Meines Wissens hegt mein Bruder die Absicht, zum Dinner herunterzukommen und ist nun in seinen Gemächern, um sich umzukleiden.“
Carlotta sah die Sorge in Lukes Miene. Sie wollte zu ihm gehen, doch Julia bat sie, neben ihr Platz zu nehmen. „Du musst große Angst ausgestanden haben, Carlotta.“
„Es blieb gar keine Zeit, Angst zu haben. Das Gig ist ganz plötzlich zur Seite gekippt.“
„Wir waren auf der anderen Seite des Sees, als wir von dem Unglück erfuhren“, erklärte Mrs. Price. „Sie können sich unsere Überraschung vorstellen, als Lord Darvells Bursche zu uns gelaufen kam, um uns von dem Unfall zu berichten.“
„Ja“, meinte Mr. Price. „Sir Gilberts Diener wollte sofort zur Rettung eilen, aber Darvells Bursche bestand darauf, seinen Herrn und Mr. Ainslowe zu holen. Und das war auch gut so“, fuhr er fort. „Die Kutschen standen bereit, als wir am Haus ankamen. So haben wir nur wenig Zeit verloren, und wir vier konnten gleich aufbrechen, um sie zu suchen.“
Carlotta runzelte die Stirn. „Waren Sie zu viert? Ich erinnere mich nur an Mr. Ainslowe und Lord Darvell …“
„Natürlich, meine Liebe, es war auch nicht zu erwarten, dass Sie sich aller Einzelheiten entsinnen“, meinte Mr. Price. „Lord Fairbridge und ich fuhren mit, um zu helfen, wo wir gebraucht wurden. Und ich wage zu behaupten, dass auch Sir Gilbert sich uns angeschlossen hätte, wäre er bei uns gewesen.“
„Ich hatte mich für einen Waldspaziergang entschieden“, erklärte Sir Gilbert. „Ich war zutiefst entsetzt, als ich zurückkam und Mrs. Price mir von dem Unfall berichtete.“ Er brach ab, da James ins Zimmer trat. „Ah, Ainslowe. Wir sprachen gerade von dem schrecklichen Ereignis. Wie geht es Ihrer Gemahlin?“
„Sie schläft.“ James wirkte erschöpft. Er ging hinüber zu Carlotta und ergriff ihre Hand.
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