Der Bastard und die Lady
erträglich war, wäre für eine uneheliche Tochter die Hölle auf Erden gewesen.
Er würde viel von Chelsea verlangen, nicht, weil sie es ihm schuldig war, sondern weil die Ehe tiefe Bedeutung für ihn hatte. Jeder Bastard würde ihm das bestätigen.
Was würde Chelsea von ihm verlangen? Sie war eindeutig nicht mehr so überzeugt von ihrem großartigen Plan wie noch am Vortag, doch jetzt gab es kein Zurück mehr. Das würde sie früh genug erkennen. Ein spontaner Einfall, mehr war es für sie nicht gewesen, als sie zum Grosvenor Square gekommen war. Eine verwegene und ziemlich kindische Reaktion auf das Ansinnen ihres Bruders, sie mit einem Mann seiner Wahl zu verheiraten.
Aber gerade spontane Einfälle zogen oft langfristige Folgen nach sich. Beau wusste, dass sein Schicksal besiegelt war, seit sie den Fuß ins Herrenhaus gesetzt hatte. In den Augen ihres Bruders und der ganzen Welt würde dieser spontane Einfall, insbesondere nachdem Chelsea nun bereits einen ganzen Tag und eine Nacht in Beaus Gesellschaft verbracht hatte, auf ewig als der Ruin einer gewissen Lady Chelsea Mills-Beckman gelten. Und als absolute Demütigung für ihren Bruder, was Beau engherzig als Silberstreif am Horizont der Bedrohungen sah, während er versuchte, Chelsea nach Gretna Green zu schaffen, bevor besagter Bruder ihn erschoss oder noch schlimmer.
Die Sache hatte immerhin ein Gutes, sofern er lange genug überlebte, um zu heiraten: Er und Chelsea waren nicht verliebt.
Denn die Liebe macht den Menschen dumm und anfällig für dumme Taten. Er hatte es einmal erlebt, dass er Amors Pfeil auf spektakuläre Weise zum Opfer gefallen war, und zwar mit katastrophalem Ausgang. Das würde ihm nicht noch einmal passieren.
Die Kutsche fuhr langsamer, ein Zeichen dafür, dass sie sich dem Ende der meilenlangen Zufahrt nach Blackthorn näherten. Es musste bald zehn Uhr sein, doch Beau wusste, dass alle Fenster hell erleuchtet sein würden, weil sein Vater sich darauf verließ, dass seine Söhne gleich nach dem Erhalt der Nachricht vom Tod seiner Frau zu ihm eilen würden.
Puck, der querfeldein reiten konnte, war wahrscheinlich bereits angekommen. Jack mochte auf dem Mond oder sonstwo sein, wer wusste das schon, aber irgendwie würde er auftauchen.
„Chelsea“, sagte Beau dicht an ihrem Ohr, ohne sich vom süßen Duft ihres offenen blonden Haars betören zu lassen. Sie hatte ihre Locken gelöst, weil die Nadeln ihr Kopfschmerzen verursachten, und er hatte sorgsam vermieden zu registrieren, wie sie aussah, wenn die Lockenpracht ihr auf die Schultern fiel.
Ihre Augen hatte er von Anfang an gemieden. Er ignorierte deren leicht exotische Schrägstellung über ihrer kecken Nase, mit der sie an eine Märchenfee erinnerte, wenn er sich romantische Schwärmereien gestatten wollte – was er ganz bestimmt nicht tat. Ihre Augen waren nicht grau, nicht blau, sondern eher wie ein sehr klarer Teich an einem sonnigen Wintertag. Er ignorierte die Art, wie sie ihn manchmal fragend, manchmal beinahe bewundernd und dann wieder empört ansah – er mochte dann das Blitzen in ihren Augen. Und die Art, wie sie sich mit Tränen gefüllt hatten, als er ihr von Abigail erzählte.
Während der vergangenen paar Stunden hatte er tunlichst ignoriert, wie ihr Körper sich an seine Seite schmiegte, wie sie leise und regelmäßig im Schlaf atmete.
Er hatte sich auf den Ärger konzentriert, den sie ihm einbrachte, statt auf ihr Lächeln, ihr Schimpfen, ihre Beleidigungen, ihren Wagemut.
Er erinnerte sich daran, wer sie war, nämlich die Schwester seines Feindes, die Schwester seiner ersten und einzigen Liebe, und daran, wie schlecht der eine und wie flatterhaft die andere war.
Auf jeden Fall war Chelsea Mills-Beckman letztendlich seine ideale Rache.
„Chelsea“, wiederholte er. Seine Hand lag auf ihrer Schulter, denn er musste sie festhalten, während die Kutsche so schnell wie möglich über die mondbeschienene Straße rollte. Beau hatte davor gewarnt, sich auf offener Strecke von den Leuten des Earls erwischen zu lassen. Jetzt rüttelte er Chelsea sanft. „Los, wachen Sie schon auf.“
„Will nicht“, murmelte sie verschlafen.
„Na, so ein Pech.“
„Ja, wirklich“, sagte sie und schmiegte sich noch enger an ihn. Sie war eindeutig nicht wach genug, um zu wissen, was sie tat. Oder sie wusste es, doch daran wollte Beau nicht denken; er war der Meinung, sie dürfte ihm nicht so sehr vertrauen. Außerdem zog er es vor, sie als das zu sehen, als was er sie
Weitere Kostenlose Bücher