Der Bastard und die Lady
um, wohl wissend, dass er seine Wache ein wenig spät antrat. Eine Pistole hielt er auf dem Schoß, die andere hatte er neben sich auf den Boden gelegt und das Messer in den rechten Stiefelschaft geschoben.
Ein Scheit zerfiel im Kamin, seit einer Viertelstunde das einzige Geräusch im Zimmer.
Es war, wie er feststellte, das erste Mal, dass zwischen ihm und Chelsea ein unbehagliches Schweigen herrschte.
Er glaubte nicht, dass es das letzte Mal sein würde.
11. KAPITEL
D u hast dich verirrt, nicht wahr?“
Chelsea saß steif und reichlich selbstgerecht auf einem umgestürzten Baumstamm und sah zu, wie Beau mindestens zum vierten Mal seine von Hand gezeichnete Karte konsultierte. Er betrachtete die Umgebung und studierte finsteren Blicks noch einmal die Karte. Er stapfte auf der hügeligen Hochwiese, wo sie ihre Pferde ausruhen ließen, hin und her und blickte wieder auf die Karte. Vielleicht glaubte er, sie würde sich verändern.
Hätte er seine feine aristokratische Nase in den Wind gehoben, um wie ein Spürhund zu schnuppern, wäre Chelsea nicht im Mindestens überrascht gewesen.
Im Großen und Ganzen hatten sie einen angenehmen Vormittag verbracht, und die Tatsache, dass sie ihn ansehen und sich sogar mit ihm unterhalten konnte, war in ihren Augen einer Art Tapferkeitsmedaille würdig.
In der vergangenen Nacht waren sie sozusagen intim gewesen, mangels eines anderen Worts zur Beschreibung des Ereignisses. Jetzt, an diesem Tag, waren sie Fremde, etwa so weit voneinander entfernt, wie zwei Menschen sein konnten, ohne dass einer von ihnen außer Landes ging. Die Welt war schon ein merkwürdiger Ort.
Der Morgen war nicht unbedingt angenehm gewesen, zumal sie sich im grauen Dämmerlicht zurück auf den Weg zur Great North Road und nach Gateshead gemacht hatten. Das hatte Beau ihr zumindest gesagt.
Und Gateshead lag, das hatte er ihr auch gesagt, ungefähr fünfzig Meilen unterhalb der schottischen Grenze.
Was sich für sie, und das hatte sie ihm gesagt, anhörte, als wäre es so weit entfernt wie der Mond.
Was vermutlich, leider, nicht nett von ihr gewesen war, denn Beau hatte daraufhin einen verkniffenen Zug um den Mund bekommen und gefragt, ob ihr im Sattel unbequem wäre. Und als sie ihn fragen wollte, warum er danach fragte, dann aber verstand, warum er fragte, das Kinn reckte und kühl erklärte, sie sei vollständig erholt, vielen Dank … nun, da hatte er bis zu diesem Zeitpunkt überhaupt nichts mehr gesagt.
Sie hatte noch etwas erfahren über diesen Mann, den sie heiraten würde. Er machte sich immerzu Sorgen. Das ging gewöhnlich Hand in Hand mit dem Vorhandensein eines Gewissens. Er war ein Mann, der sich kümmerte, der die Folgen berücksichtigte – zugegeben, manchmal erst, nachdem Tatsachen geschaffen waren. Trotzdem war es schön zu wissen, dass er nicht einfach genommen hatte, was sie ihm anbot. Was sie ihm im Grunde geradezu aufgedrängt hatte. Vielleicht war es an ihr, sich ein Gewissen zuzulegen. Im Vergleich zu ihm wirkte sie ziemlich oberflächlich, denn ihr Gewissen plagte sie an diesem Morgen überhaupt nicht, abgesehen davon, dass es hin und wieder anfragte, warum es sie nicht plagte.
Vermutlich hätte Chelsea ihm am Vorabend ein Lob aussprechen sollen. Oder sich bedanken oder so. Bedankte sich eine Frau bei dem Mann, der sie defloriert hatte – und war das nicht ein dummer Ausdruck für die Sache? Sie konnte das Geschehen der vergangenen Nacht mit nichts vergleichen, war aber ziemlich sicher, dass es recht gut gelaufen war. Er war offenbar … befriedigt gewesen.
Sie für ihren Teil war gleichzeitig so schockiert, überrascht, verwirrt, begierig, zögerlich, ängstlich und vieles mehr gewesen, dass sie nicht ganz sicher war, was sie gefühlt hatte. Sie wusste nur, dass sie es gern noch einmal versuchen wollte, um herauszufinden, welches Gefühl genau am stärksten gewesen war. Zunächst einmal wollte sie die Erfahrung als guten Anfang betrachten.
Es war so schwierig gewesen. Hinterher. Plötzlich war sie schüchtern gewesen, was nach dem, was sie getan hatten, mehr als dumm war. Und sie hatte diesen verrückten Wunsch gespürt, sich an ihn zu kuscheln, die ganze Nacht in seinen Armen zu schlafen. Und sie war sicher, dass sich das nicht gehörte. Ihre Eltern verfügten sowohl in Brean als auch in London über getrennte Zimmer, Thomas und seine Frau ebenfalls, und Madelyn sagte, wenn es möglich wäre, hätte sie am liebsten einen eigenen Wohnsitz.
Nur die Menschen aus der
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