Der Bastard von Tolosa / Roman
waren also Männer gestorben?
»Du weißt, welchen Namen mein Vater für Homs hatte?«
»La Chamelle.«
»So ist es. Er wollte ein mächtiges Reich gründen, und da Homs an der Kreuzung aller Straßen liegt, sollte es sein Hauptsitz werden. Ein großer Plan.«
»Er hat oft davon geredet«, bestätigte ich. »Aber dazu war unser Heer zu schwach.«
»Das ist der Kern der Sache, Jaufré, denn nun ist alles anders. Wir haben Tripolis im Rücken. Die Flotte der Genuesen kann uns zur Not immer versorgen. Und wir haben jetzt ein schlagkräftiges Heer.«
»Die täglichen Verluste sind nicht unbedeutend.«
Ungeduldig wischte er meinen Einwand hinweg. »Ich sehe hier eine große Zukunft für uns. Wenn wir Homs nehmen, sind wir einen Schritt weiter auf dem Weg zu
la Chamelle.
Wir könnten weiter nach Osten vorstoßen, Damaskus gewinnen und warum nicht, selbst das reiche Bagdad ließe sich einnehmen.«
»Aus Euch spricht ein wahrer Alexander«, sagte ich spöttisch.
Er grinste. »Wir Männer aus dem Westen werden Männer des Ostens werden. Für unsere Kinder ist Outremer bald die Heimat, und Tolosa werden sie vergessen.« Er sah mich eindringlich an. »Der Lotharinger Godefroi und vor allem mein Vater wollten nichts anderes als die Herrschaft Jesu im Heiligen Land errichten. Aber Männer wie König Balduin und Tankred aus Antiochia sehen die Sache handfester. Wir sind hier, um neues Land für uns zu erschließen. Verstehst du das, Montalban?«
Ich musste innerlich lachen, als ich mir vorstellte, Noura könnte ihn hören. Sie hätte ihn verflucht und ihm den Weinschlauch an den Kopf geworfen, denn genau diese Gier nach Land und Macht warf sie den Latinerfürsten vor. Das Gerede vom Grab Christi sei nur Heuchelei und Gefasel der Priester.
»Was meinst du, Jaufré? Kannst du dich als
dominus
über große Ländereien sehen, mit Bauern, Sklaven und Rittern, die mit Stolz dein Banner tragen?«
Ich lachte. Ein schöner Gedanke. Dennoch, meine Erfahrung in diesem Land sagte mir, es würde schwerer werden, als er sich das vorstellte.
»Ein langer Weg,
dominus.
« Und ein blutiger dazu.
Inzwischen hatte Bertran so viel Wein getrunken, dass seine Zunge schwerfällig geworden war.
»
Putan!
Ich muss dringend Wasser lassen.« Er erhob sich mühsam und wankte einige Schritte in die Dunkelheit. Dann hörte ich ihn erleichtert stöhnend die Büsche bewässern. »Ein guter Piss ist fast so gut wie ein williges Weib, Jaufré«, seufzte er stöhnend. »Vielleicht sogar besser, denn pissen kann man immer. Das andere … na ja … an guten Tagen oder wenn ich mal was Junges kriege.« Er kicherte und gluckste weinselig.
»Jetzt weiß ich, warum Ihr Bagdad erobern wollt.«
»Und warum will ich das?«, rief er über die Schulter.
»Weil der Sultan mehr als dreihundert Frauen in seinem
haeraem
hält. In allen Schattierungen, eine schöner als die andere, so heißt es.«
»Ist das wahr?« Lüstern grinsend kam er auf unsicheren Beinen zum Feuer zurück. »Dreihundert geile Weiber, großer Gott! Ich weiß nicht, wie es dir gehen würde, Montalban, aber ich würde mich in einer Woche zu Tode ficken.« Er lachte lauthals, ließ sich schwer aufs Gesäß fallen, lehnte sich mit dem Rücken gegen den Sattel und nahm dann einen weiteren kräftigen Schluck. »Dreihundert Weiber für einen einzigen Kerl! Wir Christen sind einfach zu prüde, weißt du? Zu viele Priester, die mit ihrem Weihrauch um einen herumschwänzeln. Aber die verdammten Muselmänner, die wissen, was gut ist.« Er kicherte in sich hinein. »Hast du nicht auch eine Frau, Jaufré?«
Seit geraumer Weile bemerkte ich belustigt, dass er sich nicht entscheiden konnte, wie er mich anreden wollte. Mal du, mal Ihr, mal Montalban, mal Jaufré.
»Sie ist Armenierin aus Antiochia. Und ich habe eine elfjährige Tochter.«
»Warum versteckst du deine beiden Hübschen?«
»Noura zieht das Landleben vor.«
Ich verschwieg, dass sie es verabscheute, auf der Burg und unter Soldaten zu leben. Alles Kriegerische war ihr zuwider. Zu viel Abscheuliches hatte sie mit ansehen müssen.
Er begrüße es, meinte Bertran, dass ich eine Frau aus Outremer genommen hätte. Wir Latiner könnten das Land hier nur auf Dauer halten, wenn wir uns mit dem Volk vermischten. Deshalb habe er Frau und Kinder mitgebracht und werde später eine einheimische Tochter für seinen Sohn finden.
»Man soll uns nicht hassen. Wir müssen friedlich mit den Menschen leben, sonst sind unsere Reiche nicht von
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