Der Bastard von Tolosa / Roman
gefunden. Von Berta hagelte es missbilligende Blicke, aber das war mir gleichgültig, waren wir doch geschiedene Leute. Und nichts deutete darauf hin, dass es anders war.
Anlass des Gelages war, meinen alten Freund Drogo gebührend zu verabschieden, so wie es unter Kriegern üblich ist. Ich unterhielt die anderen mit Erlebnissen aus unserer gemeinsamen Jugend, wir gedachten seines tapferen Einsatzes an der Brücke, sprachen viel und rührselig von allen Freunden, die gefallen waren. Auf jeden einzelnen tranken wir, und die Becher leerten sich wie von selbst.
Wir tranken, um die Schrecken der Feldschlacht zu vergessen, zumindest jene, für die es das erste Mal gewesen war. Und ich? Abschied von meinem Jugendfreund zum einen, aber auch von Odo, dem alten Bastard, an den ich nicht ohne Rührung dachte. Aber besonders betrank ich mich aus verschmähter Liebe, auch wenn ich dies nicht hätte zugeben wollen.
Am Ende waren wir zu müde, um die Augen offen zu halten. Was Guilhem noch lallend hervorbrachte, war: »Jaufré,
mon velh,
bring diesen Borcelencs zur Strecke, bevor uns der verdammte Wein ausgeht.« Dann war er rücklings ins Gras gefallen und hatte angefangen, laut zu schnarchen.
Eben das war die Frage, die mich beschäftigte. Wie konnten wir Borcelencs besiegen? Darüber vergaß ich auch Odos Brief, den Berlan mir gegeben hatte. Er musste ihn kurz vor seinem Tod diktiert haben. Ich hatte ihn irgendwohin gesteckt und dann vergessen, denn andere Dinge waren wichtiger gewesen.
Am nächsten Morgen brummte mir der Schädel, und ich achtete kaum auf das, was während der Bestattung unserer Toten vor sich ging. Ich hörte nicht auf Grabreden, küsste und umarmte wie taub die Familienmitglieder der Verstorbenen und tat, was zu tun war, ohne wirklich beteiligt zu sein, denn währenddessen zermarterte ich mir das Hirn über Guilhems Frage.
Unser glänzender Sieg hatte verhindert, dass Robert seine früheren Verluste wettmachen konnte. Und dennoch reichte es bei weitem nicht. Er hielt Rocafort, das wir nicht stürmen konnten. Umgekehrt würde er uns nicht in den Wäldern packen können, ohne den Rest seiner Männer aufs Spiel zu setzen. Alles, was wir erreicht hatten, war also eine Art Gleichgewicht. Doch dafür hatten wir teuer bezahlt an Toten und Verwundeten.
Zwei weitere Kameraden waren in der Nacht gestorben. Am frühen Vormittag machte ich die Runde der überlebenden Verwundeten. Ich legte meine Hand auf pochende Schläfen und versuchte, ihnen Ermutigung zuzusprechen. Schwert und Speer hinterlassen schreckliche Verletzungen. Die Weiber aus dem Dorf, die so etwas noch nie gesehen hatten, wankten grau im Gesicht und tränenüberströmt zwischen den Verwundeten umher, um Verbände zu wechseln, die Schwachen zu füttern und die Fiebernden mit frischem Bergwasser zu kühlen. Zu meiner Bestürzung hatte sich auch Felipes Zustand wieder verschlechtert. Seine Speerwunde hatte sich entzündet, war trotz Joanas Mühen an den Rändern grün geworden und stank entsetzlich. Der Mann befand sich im
delirium,
erkannte sein Weib nicht mehr und würde die Nacht nicht überleben.
Plötzlich stand ich Berta gegenüber, die mit blutverschmierten Händen einem Mann den Verband erneuerte. Als ihre grünen Augen mich vorwurfsvoll anstarrten, floh ich aus ihrer Gegenwart.
Einen weiteren Sieg dieser Art konnten wir uns nicht mehr leisten. Ich war nicht bereit, noch weitere junge Burschen in offener Feldschlacht zu opfern. Es musste einen anderen Weg geben. Eine List, ein Hinterhalt. Schrullige Einfälle gingen mir durch den Kopf. Man müsste jemanden bestechen, uns in der Nacht in die Burg einzulassen, so wie damals in Antiochia. Oder ich könnte Robert zum Zweikampf herausfordern, der Sieger bekommt alles, Burg und Testament. Aber warum sollte er zustimmen? Alles Unsinn. Nichts davon ließ sich umsetzen.
Da stand Berta plötzlich vor mir und schreckte mich aus meinen Grübeleien. »Was hast du eigentlich mit dem Jungen vor?«, fragte sie ohne Umschweife.
»Was?« Ich setzte mich rasch auf, noch tief in Gedanken.
»Roberts Knappe.« Sie sah blass und übermüdet aus. »Seit zwei Tagen kümmert sich niemand um ihn. Willst du, dass er umkommt?«
Ich sprang auf. »Warum sollte er umkommen?«
Jordan de Laforcada, so hieß er doch.
Mon Dieu,
den hatte ich völlig vergessen. Ich folgte Berta, die mich zu ihm führte.
Abseits vom Lager, unter einem armseligen Laubdach, das kaum Sonne und noch weniger Regen abhalten konnte, lag er
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