Der Bastard
habt und dann …»
«Und nichts dann», unterbrach Jevgenij.
«Du gibst also zu, dass ihr auf den Jungen eingeschlagen habt?», hakte Kilian nach.
Nicken.
«Was passierte dann?»
Ivan meldete sich. «Da ist ein Typ aufgetaucht. Glatze, Nietengürtel, Springerstiefel. Wir dachten schon, wir kriegen Unterstützung.»
«Aber er war kein Skin», fügte Jevgenij hinzu, «er sah nur so aus.»
«Weiter.»
«Er hat sich den Jungen gegriffen und ist mit ihm ab.»
Kilian stutzte. «Ein Mann ist dem Jungen zu Hilfe gekommen?»
«Sag ich doch.»
«Ihr wollt euch rausreden», sagte Heinlein ungläubig . « Unser Zeuge hat keinen Mann erwähnt.»
«Scheiß auf den Zeugen, da war dieser Typ. Der hat sich den Jungen gekrallt. Was er weiter mit ihm gemacht hat, keine Ahnung. Wahrscheinlich hat er ihn sich richtig vorgenommen.»
Kilian schlug mit der Hand auf den Tisch. «Der Junge ist tot. Kapiert das endlich. Ihr seid dringend tatverdächtig. Wenn ihr nachher bei der Gegenüberstellung erkannt werdet, dann seid ihr fällig. Geht das nicht in euer Spatzenhirn hinein?»
Allmählich schien es ihnen zu dämmern, dass sie bei einem Tötungsdelikt im Zentrum der Ermittlungen standen. Ivans coole Fassade bröckelte zuerst. Er bekam feuchte Augen. «Wenn ich es doch sage, wir haben ihn nicht totgemacht. Der Mann …»
«Ja, ja, der böse Mann», polterte Heinlein, «der aus dem Nichts auftaucht und wieder verschwindet. Hast du nichts Besseres?»
Jevgenij blieb standhafter, in seinem Gesicht lag trotzdem ein Ausdruck der Betroffenheit. Ruhig sa g te er: «Es war aber so. Er ist mit ihm verschwunden.»
«Wohin?», fragte Kilian.
Schulterzucken.
«Da war doch ein Taxi», fiel Ivan ein. «Kurz darauf ist es an uns vorbeigefahren. Ich glaub, dieser Mann saß am Steuer.»
12
D ie Proben waren angekommen, und Pia bereitete alles für eine mitochondriale DNA-Analyse vor. Sie ging in den Kühlraum zu der Bahre, auf der der unbekannte Junge lag, dessen Mutter vielleicht ebenfalls tot war. Sie schnitt etwas Haar in ein Reagenzglas, d a bei bemühte sie sich, das Gesicht des Jungen nicht anzusehen. Sie hatte ihren Aussetzer während der Obduktion nicht vergessen und wollte nicht wi e der mit einer Gefühlsaufwallung kämpfen. Vorsichtig deckte sie ihn wieder zu. Dann ging sie zurück ins Labor, b e schriftete die Probe und begann mit der A nalyse.
Es war ein Verfahren, das seit 1996 angewendet wurde, und nicht nur in gerichtsmedizinischen Zusammenhängen. Vor allem Ethnologen waren durch diese Analysemöglichkeit einen großen Schritt weitergekommen. Während man bei der gängigen Analyse DNA aus dem Zellkern untersuchte, wurde hier die DNA analysiert, die außerhalb des Kerns in den Mit o chondrien lag. Das Besondere an dieser DNA war, dass sie nicht dem Rekombinationsprozess chr o mo somaler DNA unterlag. Sie wurde nur von der Mutter vererbt. Es war dadurch möglich, die mütterliche Linie einer Familie bis in weit zurückli e gende Generationen zu verfolgen. Ein weiterer Vorteil der mitochondrialen DNA-Analyse lag darin, das s m an auch Material, das aus Zellen ohne Zellkern bestand, zum Beispiel Zehennägel oder Haarschäfte, zur Analyse heranziehen kon n te.
Pia arbeitete automatisch. Zwar gehörte die Anal y se nicht zu den Routinearbeiten, doch sie hatte das Verfahren schon oft angewandt. Während sie immer wieder Pausen einlegte, um bestimmte Prozesse abzuwarten, dachte sie über organisatorische Schwierigkeiten nach, die vor ihr lagen. Sie musste ein Ki n derzimmer einrichten, Babykleidung besorgen und endlich eine Entscheidung treffen, ob sie in der Uniklinik oder in der Missionsärztlichen entbinden wollte. Welch sel t sames Wort, sie kicherte leise. Wenn das Kind auf die Welt kam, wurde vielleicht die Nabelschnur durc h trennt, aber von Entbindung konnte wohl keine Rede sein, ganz im Gegenteil, dann wurde die Verbundenheit sicher noch tiefer. Bis jetzt ha t te sie sich um nichts gekümmert, doch sie wollte nicht bis zum letzten M o ment warten. Erstens würde sie dann durch einen d i cken Bauch behindert, und zum anderen wusste sie nicht, ob sie von Kilian Unterstützung bekommen würde. Sie würde sich auf keinen Fall darauf verlassen, dass er zur Stelle wäre.
Sie führte die nötigen Handgriffe aus, ging zwischendurch einen Tee trinken, und schließlich spuckte der Drucker die Ergebnisse aus. Sie waren einde u tig. Das Unfallopfer aus Schweinfurt war nicht die Mutter des Jungen aus dem Main. Das brachte sie nicht
Weitere Kostenlose Bücher