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Der Bastard

Der Bastard

Titel: Der Bastard Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Roman Rausch
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Er weiß auch gar nicht, dass ich bei dir bin. Ich möchte nur, dass du vorbereitet bist.»
    «Hast du Angst, ich würde in Tränen ausbr e chen?»
    «Ich habe Angst, dass du einem Impuls folgst und nein sagst.»
    Sie wussten beide, wovon die Rede war.
    «Glaubst du nicht, je mehr Bedenkzeit ich habe, desto größer die Gefahr, dass ich seine Nachfolge ablehne?»
    Clara lächelte. «Nein, mein Junge. Du warst scho n i mmer vernünftig. Du weißt, dass es keinen anderen Weg gibt. Du bist der einzige Sibelius, auf dich kommt es nun an. Und vielleicht findest du ja doch noch eine Frau, und ihr bekommt Kinder. Männer können sich auch in späteren Jahren noch diesen Wunsch erfüllen.»
    Maximilian lachte trocken und legte das Gesicht in die Hände. «Ich werde darüber nachdenken. Aber vielleicht tut Vater mir den Gefallen und entscheidet sich für Jonathan.»
    «Da gibt es nichts zu entscheiden, du bist sein Sohn», sagte Clara und stand auf. «Pia war heute auch bei mir. Gibt es etwas, das du mir sagen möc h test?»
    Es war eine vertraute Frage aus der Kindheit. Clara hatte nie gesagt «Du lügst» oder «Du verschweigst mir etwas». Immer hatte sie sich verständnisvoll n e ben ihn gesetzt, ihn gezwungen, ihr in die Augen zu schauen, und dann gefragt: «Gibt es etwas, das du mir sagen möchtest?»
    Maximilian stand ebenfalls auf.
    «Mutter, danke, dass du vorbeigekommen bist.»
    Sie ging zur Tür, und als sie schon die Klinke in der Hand hatte, rief er ihr nach: «Es tut mir leid.» Als er ihre hochgezogenen Augenbrauen sah, fügte er hinzu: «Vaters Krankheit. Es ist sicher nicht leicht für dich.»
    Sie nickte, und dann war sie draußen.
    22
    H einlein lehnte an der Tür zum Obduktionsraum. Die Finger seiner linken Hand tippten nervös gegen den Türrahmen. «Wo steckt Pia?»
    Karl zuckte mit den Achseln. «Sie hat sich heute freigenommen.»
    «Rufst du sie nochmal an?», bat er Kilian, der gelassen die beiden mutmaßlichen Angehörigen des toten Jungen erwartete. Ein Mann wollte mit seiner Mutter die Leiche in Augenschein nehmen.
    Kilian wählte Pias Nummer und wartete. Nachdem der Rufton mehrmals ertönt war, schaltete sich die Mailbox ein. «Sie geht nicht ran.»
    «Dann müssen wir eben ohne sie die Identifizi e rung durchführen. Karl, du bist mit allem vertraut?»
    Karl nickte.
    Eine Stimme aus dem Treppenhaus rief: «Schorsch, deine Zeugen sind jetzt da.»
    Heinlein stieg die Stufen hinauf, um sie abzuh o len. Wenig später kam er mit ihnen zurück und stel l te ihnen Kilian und Karl vor.
    «Mein Name ist Jonathan Kingsley», sagte der Mann , « und das hier ist meine Mutter.»
    Kilian erkannte in ihr die Frau vom Afrika-Festival, Ubunta, die Voodoopriesterin. Er überging seine Überraschung mit einem freundlichen Lächeln, sie unterließ jedes Anzeichen des Wiedererkennens.
    Karl führte sie in den Kühlraum und schaltete die Neonbeleuchtung an. Das flackernde Licht fiel auf zwei Bahren, die in der Ecke des gekachelten Raums Klarheit bringen sollten. Trotz der weißen Tücher war schnell ersichtlich, welches der rund zwei Meter langen Gefährte Karl auswählen würde.
    Er schob die Bahre direkt unter eine Neonröhre. Heinlein bat Kingsley und Ubunta auf die eine Seite, er und Kilian gingen zu Karl auf die andere.
    «Ich bitte Sie nun zu bezeugen», begann Heinlein die immer gleiche Frage in dieser Situation, «ob dies Ihr Sohn beziehungsweise Ihr Enkel ist.»
    Heinlein war irritiert. Er hatte erwartet, dass sich Jonathan Kingsley als der mutmaßliche Vater auf Kopfhöhe der Leiche begeben würde – das war die natürliche und übliche Reaktion. Doch stattdessen stand dort diese seltsame Frau – die Haare unter einem ve r schlungenen Kopftuch versteckt, schwarze Haut, die in der grellen Beleuchtung noch dunkler wirkte, und ein langes schwarzes Kleid, das sich an ihre Brüste schmiegte. War es die Kälte oder die furchtbare Bestätigung ihrer Ahnung, die sie zittern ließ? Heinlein und Kilian registrierten es aufmer k sam.
    Im Vergleich dazu zeigte Kingsley keine Anze i chen des Unwohlseins. Er wirkte ruhig und gefasst.
    «Wenn Sie nun so weit sind?», fragte Heinlein.
    Ubunta nickte, und Karl streifte das weiße Leichentuch bis auf die Brust zurück.
    Kilian und Heinlein konzentrierten sich auf die Reaktion der beiden, als sie ins Gesicht des Toten blickten. Sie hätte unterschiedlicher nicht ausfallen können. Während Ubunta der Schreck in alle Glieder fuhr, blieb Kingsley scheinbar unbeeindruckt. Unge

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