Der Bastard
war nach ihrem Besuch bei Jonathan Kingsley im Supermarkt vorbeigefahren. Hatte den Einkaufsw a gen mit Unmengen von Obst, Gemüse, Joghurts und Süßigkeiten vollgeladen. Sie wusste, dass sie nur e i nen Bruchteil dessen essen würde, was sie aus den Regalen holte. Zu Hause hatte sie alles ausgepackt und an seinen Platz gestellt. Zuerst wollte sie in der Badewanne entspannen, nachdenken und sich danach etwas zu e s sen machen. Doch dann kam der Anruf. Es war Sabine.
«Pia, du sollst sofort aufs Revier kommen. Befehl von Schorsch.»
«Was will er denn? Gibt es etwas Neues?»
Sabine wusste es nicht. Sie hatte nur den Auftrag, Pia aufs Revier zu beordern.
«Er hat gesagt, sofort. Und er ist stinksauer», fügte sie noch hinzu.
Pia zog sich an, nahm ihre Handtasche und verließ die Wohnung. Mit dem Auto war es um diese Zeit ein Katzensprung in die Weißenburgstraße. Sie fuhr am Main entlang und fragte sich, was Schorsch wol l te. Sie befürchtete, dass es mit Annas Sohn zu tun hatte. Aber das konnte er nicht herausgefunden haben. Dennoch meldete sich ihr schlechtes Gewissen. Sie hätte es ihnen sagen müssen. Sie zuckte mit den Schultern. Gestern Abend hatte sie e s s chließlich versucht, doch Kilian und Heinlein waren zu b e schäftigt gewesen. Sie stellte den Wagen ab und betrat das P o lizeigebäude. Weder Kilian noch Hei n lein waren in ihrem Büro. Sie wartete auf dem Gang und sah schließlich Sabine.
«Ich habe jetzt Feierabend. Aber bevor ich gehe, soll ich dich in Verhörraum zwei bringen. Was hast du ausgefressen?», fragte Sabine und musterte Pia neugierig . « So aufgebracht habe ich Schorsch noch nie e r lebt.»
Sie folgte Sabine, und in ihrem Magen machte sich ein mulmiges Gefühl breit. Sie betraten den Verhörraum. Kilian stand ans Fensterbrett gelehnt, Heinlein saß am Tisch.
«Danke, Sabine. Pia, bitte setz dich.»
Er klang nicht aufgebracht, eher ernst, fand Pia. Wortlos ließ sie sich ihm gegenüber auf einem Stuhl nieder. Heinlein wartete, bis Sabine die Tür hinter sich geschlossen hatte, dann lehnte er sich vor.
«Kannst du mir sagen, was du dir dabei gedacht hast?»
«Was meinst du?»
Pia schaffte es nicht, ihm dabei in die Augen zu sehen. Deshalb bemerkte sie auch nicht, wie langsam vom Hals herauf die Röte in Heinleins Gesicht au f stieg. Sie war von der Lautstärke seiner Stimme überrascht und zuckte zusammen, als er sie anherrsc h te.
«Tu nicht so blöd. Du weißt die ganze Zeit, wer unser Mordopfer ist, und lässt uns im Dunkeln tappen.»
«Ich wollte doch …»
Er ließ sie nicht ausreden.
«Du wolltest. Du hast aber nicht. Du läufst durch di e G egend und führst eine private Ermittlung durch. Bist du noch zu retten?»
Er stand abrupt auf, entfernte sich einige Schritte vom Tisch und kehrte ihr nun den Rücken zu. Pia sah zu Kilian hinüber. Der stand seelenruhig am Fenster, offensichtlich nicht bereit, ihr beizuspri n gen.
«Schorsch, es tut mir leid. Ich wollte es euch doch sagen, aber ihr habt nicht zugehört.»
Heinlein schwieg, und Pia fuhr fort: «Es war ein Schock für mich, den musste ich erst verarbeiten. Und außerdem», sie stockte kurz, «außerdem bringt uns diese Erkenntnis doch auch nicht weiter. Was fängst du mit dieser Information jetzt an?»
Pia lehnte sich zurück, überzeugt, einen Punkt gemacht zu haben. Da Heinlein immer noch schwieg, fühlte sie sich sicher genug, eine Frage zu stellen, die ihr schon die ganze Zeit auf der Zunge lag.
«Wie habt ihr das überhaupt herausgefunden?»
Doch noch während sie die Frage stellte, wusste sie, was geschehen war.
«Wer hat gepetzt? Maximilian oder seine Eltern? Oder war es Kingsley?»
Er fuhr herum. «Du bist so überheblich, dass es zum Kotzen ist. Glaubst du wirklich, weil du studiert hast und einen weißen Kittel trägst, stündest du über dem Rest der Welt?»
Bei jedem Wort war er einen Schritt näher gekommen. Er stützte sich auf den Tisch und beugte seinen Kopf auf Pias Höhe.
«Du bist im Irrtum, wir sind einen großen Schritt weiter. Frau Allwissend hat nämlich dem Vater des Junge n d ie Bilder seines toten Sohnes einfach so auf den Tisch geknallt. Kannst du dir vorstellen, was in dem armen Mann vorgegangen ist? Kannst du das?»
Heinleins Stimme war noch lauter geworden.
«Ich habe dir gestern schon gesagt, dass du keine Alleingänge unternehmen sollst. Aber was ich sage, zählt wohl nicht. Was glaubst du eigentlich, was ich hier tue?»
Plötzlich schlug er voller Wucht mit der
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