Der Bastard
auch einen Vater, der da ist. Aber wir brauchen deswegen nicht einen auf gemeinsame Zukunft zu machen. Wenn du mir das Gefühl gibst, dass dir an mir liegt, auch ohne das Kind, dann können wir weiterr e den. Bisher war das nie der Fall. Ich will jetzt keine Einzelheiten aufzählen. Du musst nur in dich hinei n horchen, dann weißt du ja, ob du ein Gefühl für mich findest. Wahrscheinlich nicht.»
Sie stieg aus, und auch Kilian verließ den Wagen. Über das Autodach hinweg sagte er: «Was hättest du denn gern? Kitschige Liebesgedichte? Oder jede Woche Blumen, Schmuck, Pralinen? Das ist doch albern.»
Pia winkte ab und ging aufs Haus zu.
«Und was ist mit dir? Du überschlägst dich auch nicht gerade mit Liebesäußerungen. Wahrscheinlich bin ich der Idiot, der gerade zur Hand ist, wenn du einen brauchst, wofür auch immer.»
Sie blieb stehen und drehte sich um. «Du hast recht, du bist ein Idiot.»
Dann ging sie ins Haus und schlug die Tür hinter sich zu. Sie hörte noch, dass er ihr irgendetwas nachrief, konnte aber nicht verstehen, was es war. Als sie die Wohnung betrat, klingelte ihr Handy. Eine SMS.
Wenn es Dir nicht gutgeht oder Du etwas brauchst, ruf trotzdem an. Der Idiot.
24
E s war spät, und Pia hatte seit Stunden nichts gegessen. Sie blickte auf die vielen frischen Sachen im Kühlschrank und entschied sich dann für eine Tütensuppe. Sie brauchte etwas Wärmendes. Mit Schorsch hatte sie es sich gründlich verdorben. Das Schlimm s te war, dass er recht hatte.
Sie vollführte die notwendigen Handgriffe mechanisch und ließ ihren Gedanken freien Lauf. Dabei ha t te sie Anna und Jonathan vor ihrem geistigen Auge. Ein schönes Paar war das Erste, was ihr einfiel. Und doch passte es nicht. Sie hatte zwar schon akzeptiert, dass Anna ihren Mann betrogen hatte. Doch mit Jonathan war es doppelter Verrat. Jonathan Kingsley war ein Freund Maximilians, ein Freund der Familie.
Wenn sie sich richtig erinnerte, hatte die Familie Sibelius ihm das Studium in Deutschland finanziert. Was war geschehen, dass beide Maximilian hintergangen hatten? Und wie hatte er das aufgenommen? Wusste er überhaupt davon? Und wussten Clara und Heinrich es auch? Auf letztere Frage gab sie sich die Antwort selbst. Wohl kaum. Sonst würde er nicht weiterhin in der Sibelius -K linik arbeiten und freundschaftlichen Umgang mit der Familie pflegen.
Pia aß ihre Suppe am Esstisch und hing ihren Gedanken nach. Dann ließ sie Badewasser einlaufen, startete den CD-Spieler und ließ sich in das warme Wasser gleiten. Sie strich über ihren Bauch. Bald würde er sich immer stärker nach außen wölben, und es konnte jeden Tag geschehen, dass sie die ersten Bewegungen des Kindes spürte. Was hatte Anna in diesem frühen Stad i um der Schwangerschaft gedacht, war ihr eine Abtreibung in den Sinn geko m men? Das würde sie niemals erfahren. Sie hatte sich für das Kind entschieden und ab einem bestimmten Moment darauf gefreut. Auch sie selbst hatte a n fangs ängstlich in die Zukunft geblickt. Sie war sich klar darüber, dass sie im ersten Jahr ihrem Job nicht nachgehen konnte.
Wahrscheinlich werde ich mich keine Sekunde von meinem Kind trennen können, dachte sie. Ich muss darauf achten, es nicht völlig zu verhätscheln. Aber andererseits konnte man einem Kind nicht genug Liebe schenken. Sie machte ihre Haare nass und ve r teilte das Shampoo.
Langsam massierte sie ihre Kopfhaut und hing d a bei ihren Gedanken nach. Wie ein Mantra kam ihr immer wieder keine Sekunde von meinem Kind trennen in den Sinn. Sie stellte die Dusche an und spülte den Schaum aus den Haaren. Dann erhob sie sich langsam und stieg aus der Wanne. Während sie sich abtrocknete, ging es ihr immer wieder gebet s mühlenartig durch den Kopf: keine Sekunde von meinem Kind trennen . Sie schlüpfte in ihren Bademantel und ging wie betäubt zum Besenschrank im Flur. Keine Sekunde von meinem Kind trennen.
Anna hatte ihr Kind verlassen. Sie hatte das nur wenige Tage alte Baby verlassen und war in den Busch gefahren.
Unmöglich, dachte Pia. Bis vor kurzem hatte sie nichts von Henry gewusst. Deshalb hatte sie nicht an den Umständen von Annas Tod gezweifelt. Sie war im Busch unterwegs. Sie war Ärztin, sie war auf dem Weg zu oder von einem Kranken. Sie war unterwegs, um Medizinmänner zu befragen oder etwas in der Art. Aber mit dem frischgeborenen Henry wäre Anna niemals in den Busch gefahren. Sie musste ihre Tätigkeit sogar schon einige Monate zuvor eingestellt haben, sonst wäre
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