Der Bastard
Handfl ä che auf den Tisch.
«Ich versuche nur, einen Mordfall zu lösen. Zufä l lig leite ich auch noch die Ermittlung. Aber das scheint hier niemanden zu interessieren. Ich bin doch nicht euer Hampelmann.»
Die Röte in seinem Gesicht war noch dunkler geworden. Pia hörte seine Worte, beobachtete ihn aber nun besorgt. Sie hatte Angst, dass er gleich die Hand auf sein Herz legen und nach Luft schnappen würde.
«Schorsch», versuchte sie ihn zu unterbrechen. Auch Kilian hatte seine lässige Haltung aufgegeben und machte eine beschwichtigende Geste. Aber es war nichts zu machen. Heinlein hatte sich in Rage geredet.
«Seit wir uns kennen, gibt es mit euch nur Schwierigkeiten. Dein sauberer Freund sucht nur nach einer geeigneten Möglichkeit, hier zu ve r schwinden. Es ist ihm zu provinziell. Er will in die große weite Welt. Nur leider macht er diese Drohung nie wahr. Eure Beziehungskiste behindert meine Arbeit. Und jetzt fängst du auch noch an, gegen mich zu arbeiten. Du bist Gerichtsmedizinerin. Du führst keine Ermittlungen durch. Du hast gefälligst der P o lizei zuzuarbeiten. Und das bin in diesem Fall ich. Ich bin der leitende Kommissar in diesem Fall. Du hättest mich umgehend informieren und dich aus dem Fall heraushalten müssen. Du bist nicht objektiv. Du überschreitest deine Kompetenzen und hintertreibst meine. Das lasse ich mir nicht länger bieten.»
Dann ließ er sich erschöpft auf seinen Stuhl fallen, und alle drei schwiegen. Nach einigen Minuten unterbrach Pia zaghaft die Stille.
«Schorsch, es tut mir leid. Entschuldige.»
Er zeigte keine Reaktion, und sie versuchte es erneut.
«Lass uns darüber reden. Akzeptierst du meine Entschuldigung?»
Heinleins Antwort kam klar und deutlich: «Nein.»
Dann erhob er sich. «Ich werde kein Verfahren gegen dich anstrengen, wegen Behinderung der Ermittlungen. Aber geh mir aus den Augen. Und vergiss nicht, dich aus dem Fall rauszuhalten, sonst werde ich dafür sorgen.»
Er verließ grußlos den Raum. Pia wandte sich an Kilian.
«Ihr habt doch die Täter auch ohne diese Information schon fast überführt. Ich kann ja verstehen, dass er sauer ist. Aber warum regt er sich so fürchterlich auf?»
Während Kilian sie auf den neuesten Stand der Ermittlungen brachte, begann Pia, Schorschs Worte zu verinnerlichen. Der Vater des Jungen. Es war also Jonathan. Er war der Mann, mit dem Anna eine A f färe gehabt und ein Kind gezeugt hatte.
«Wie heißt er?», fragte sie Kilian.
«Wer?»
«Der Junge, Annas Sohn.»
«Henry. Er heißt Henry.»
Pia nickte. Und mit einem Mal war er lebendig. De r t ote Junge hatte einen Namen und war damit nicht mehr einfach nur der tote Junge, ihr Neffe oder Annas Sohn. Henry. Pia schluchzte. Sie konnte die Tränen nicht zurückhalten und schämte sich, dass Kilian ihren Ausbruch miterlebte. Aber sie konnte nicht aufhören. Als Kilian zu ihr kam und sie in den Arm nehmen wollte, schob sie ihn weg. Sie griff aber nach dem Taschentuch, das er ihr reichte. Nach einer Weile beruhigte sie sich. Sie stand auf und sagte, sie wolle jetzt nach Hause. Kilian bestand darauf, sie zu fahren, und sie gab nach. Sie ging gesenkten Kopfes durch die Flure. Zum Glück war es schon spät, und es waren nicht mehr viele Beamte unterwegs. Es wäre ihr peinlich gewesen, so verheult und zerzaust ges e hen zu werden.
Die Fahrt verlief schweigend. Kilian wollte sie noch hineinbringen, aber sie lehnte ab. Bevor sie au s stieg, hielt er sie zurück.
«Ich will jetzt nicht noch mehr Stress machen. Dass dich die Erkenntnis, dass du einen Neffen hast, geschockt hat, kann ich gerade noch nachvollziehen. A ber kannst du mir erklären, wieso ich bis jetzt nichts von einer Schwester wusste?»
«Hätte es dich denn interessiert?»
«Natürlich, verdammt. Wir sind jetzt schon einige Zeit zusammen, wieso hast du mir das verschwi e gen?»
Pia lehnte sich in den Sitz zurück und sah ihm in die Augen. Der Ton ihrer Stimme wurde spöttisch.
«Rede es doch nicht im Nachhinein schön. Hast du wirklich das Gefühl, wir sind schon lange zusa m men? So richtig, mit gemeinsamen Unternehmungen und gemeinsamer Lebensplanung? Dann belügst du dich selbst.»
Sie wollte aussteigen. Doch Kilian war noch nicht fertig.
«Wie meinst du das? Wir bekommen ein Kind. Mehr Gemeinsamkeit geht ja wohl nicht.»
Sie lachte verbittert. «Ich will keinen Mann, der wegen des Kindes an meiner Seite ist. Ich habe nicht vor, dir das Kind vorzuenthalten. Ich wünsche mir für mein Kind
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