Der Bastard
wirklich nicht aus, oder er hat in Panik gehandelt. Er wollte so schnell wie möglich den Körper loswerden. Was liegt da näher als der Main.»
«Apropos Main», unterbrach Heinlein, «Kingsleys Wohnanlage ist direkt am Ufer entlang gebaut. Von dort aus wäre es ein Leichtes, einen Körper in der Nacht ungesehen in den Main zu werfen.»
«Aber die Wohnung liegt noch vor der Schleuse und dem Kraftwerk an der Alten Mainbrücke», meldete Sabine Zweifel an, «und außerdem würdest du Kingsley unterstellen, seinen eigenen Sohn getötet zu h a ben.»
«Oder jemandem, der Zugang zur Wohnung ha t te», entgegnete Kilian. Zu Heinlein gewandt: «Ist dir gestern bei der Identifizierung nicht aufgefallen, wie sel t sam gefasst dieser Mann war?»
Heinlein nickte. «Ich wüsste nicht, wie ich reagi e ren würde, wenn eines meiner Kinder dort aufgebahrt wäre.»
«Unvorstellbar», sagte Sabine. «Ich bete zu Gott, dass ich niemals diesen Gang antreten muss.»
«Entweder hat er Nerven aus Stahl, oder da stimmt was nicht.»
«Meine Rede», sagte Heinlein. «Deswegen sollten wir uns mal um diesen Herrn kümmern.»
Jemand klopfte an die Tür und öffnete sie zaghaft.
«Guten Morgen», sagte Pia. Sie blieb in der Tür stehen . « Kann ich hereinkommen?»
Heinlein drehte den Kopf weg. Kilian stand auf und zog einen Stuhl heran.
«Magst du Kaffee? Entschuldige, ich habe es vergessen. Soll ich dir einen Tee holen?»
Pia nickte, und Sabine erledigte es.
Sie wandte sich an Heinlein: «Schorsch. Es tut mir leid. Ich wollte deine Kompetenz nicht in Frage stellen. Ich will es auch nicht entschuldigen. Aber es war wirklich ein Schock für mich herauszufinden, dass meine Schwester ein Kind hatte. Ohne dass ich den blassesten Schimmer hatte. Und dass Henry tot war, als ich von seiner Existenz erfahren habe. Ich dachte auch wirklich, dass ihr die Täter habt. Und wenn ihr vorgestern Abend nicht so in euer Gespräch vertieft gewesen wärt, hätte ich es euch gesagt. Bitte, du musst mir glauben und meine Entschuldigung a n nehmen.»
Sie legte vorsichtig eine Hand auf seine Schulter und sagte noch einmal: «Bitte.»
Schorsch Heinlein nickte schließlich. «In Or d nung.»
Pia atmete erleichtert auf. «Es soll nicht wieder vorkommen. Deshalb bin ich auch hier.»
Er lehnte sich resigniert zurück. «Willst du damit sagen, dass du mir noch etwas verschwiegen hast?»
«Nein», sie schüttelte den Kopf, misstrauisch von Heinlein beäugt.
«Nein, ich habe dir sonst nichts verschwiegen. Aber als ich gestern nach Hause kam, ist mir einiges durch den Kopf gegangen, und dann kam mir ein furchtb a rer Verdacht. Eigentlich ist es kein Verdacht, eher schon eine Gewissheit. Wenn wir herausfinden wo l len, was mit Henry geschehen ist, müssen wir erst Annas Mörder finden.»
Heinlein blickte ungläubig drein.
«Du sollst mir keine Informationen vorenthalten, aber irgendwelche abenteuerlichen Spekulationen kannst du für dich behalten. Ich verstehe, dass es dir nicht gutgeht, und das alles in der Schwangerschaft, aber jetzt bleib mal auf dem Teppich.»
Pia hob beschwichtigend die Hände. «Ich weiß, es hört sich etwas konfus an. Aber gib mir fünf Min u ten. Ich trinke meinen Tee und erzähle die Geschic h te, und danach kannst du entscheiden, ob es Sinn macht oder nicht.»
Wie aufs Stichwort kam Sabine mit dem Tee he rein und grinste erleichtert, als sie alle friedlich beisammensitzen sah.
«Nun denn», forderte Heinlein sie auf, «leg los.»
Pia begann mit Annas erstem Afrika-Aufenthalt. Sie erzählte von der Hochzeit, ihrem Schweigen, der Nachricht von Annas Tod. Dann berichtete sie, wie sie herausgefunden hatte, wer Henry war. Zum Schluss wiederholte sie ihre Gedankengänge des vergangenen A bends und legte die Fotos auf den Tisch. Heinlein und Kilian betrachteten sie eingehend.
«Wenn sie schon einige Zeit nicht gearbeitet hat, wa r d er Wagen vielleicht einfach nicht für den Busch ausgerüstet. Sie wurde zu einem Notfall gerufen, und es musste schnell gehen», wandte Kilian ein.
«Aber warum sie? Ein anderer Arzt musste sie in dieser Zeit vertreten haben. Warum nicht auch an diesem Tag?»
Pia gab sich nicht geschlagen. Doch in Kilians Blick waren weiterhin Zweifel zu lesen.
«Es ist möglich, was du sagst. Aber es erscheint mir etwas weit hergeholt. Deine Theorie basiert nur darauf, dass du sagst, eine Mutter verlässt ihr Ne u geborenes nicht. Das kannst du doch nicht verallgemeinern. Vielleicht wollte sie sogar sofort wieder
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