Der Bastard
Tageslicht gezogen wurde.
Kilian ließ nicht locker. «Dann wird es Sie sicherlich interessieren, dass Henry Kingsley auch der Sohn Ihrer verstorbenen Frau Anna Rosentha l war.»
«Auf gar keinen Fall», antwortete er, ohne zu zögern, und schickte schnell ein bemühtes Lächeln hinterher . « Ich, als ihr Ehemann, müsste das ja wohl wi s sen. Wi r h atten keine Kinder. Leider. Ich glaube, hier liegt ein Irrtum vor.»
«Die Elternschaft ist bewiesen. Der DNA-Vergleich lässt keinen anderen Schluss zu.»
Sibelius erhob sich, ging ruhig ans Fenster, schaute hinaus und versuchte, seine Antwort gut abzuwägen . « Wissen Sie, jetzt, da Sie mich darauf aufmerksam machen, scheint sich eine Ahnung zu bestätigen, die ich damals schon hatte.»
«Sie meinen, dass Ihre Frau und Jonathan King s ley ein Verhältnis hatten?»
«So weit würde ich nicht gehen. Ich würde es eher als eine Zuneigung beschreiben, eine platonische, e i ne kaum spürbare. »
«Aber dennoch mutmaßen Sie, dass da noch mehr war als eine gegenseitige Anziehungskraft.»
«Ob sie gegenseitig war, kann ich nicht beantworten. Jonathan hat nie darüber gesprochen.»
«Sie haben ihn nicht danach befragt?»
«Nein, wieso sollte ich? Wir waren und sind noch immer Freunde. Er hätte es mir bestimmt gesagt, wenn da was gewesen wäre.»
«Und Ihre Frau? Haben Sie sie je darauf angesprochen?»
«Natürlich nicht, es gab ja keine Anzeichen, nur eine leise Ahnung. Wegen so etwas bricht man doch keinen Streit vom Zaun.»
«Wäre es denn dazu gekommen?»
«Zu einem Streit?»
«Ja.»
Sibelius dachte nach, zumindest machte es den Anschein. «Ich weiß es nicht. Sie verstarb früh. Wenige Monate nach unserer Heirat verschwand sie im Busch. Ihre Leiche wurde nie gefunden.»
«Wie kam es dazu?»
«Sie wurde in der Nacht zu einem Patienten ger u fen. Auf dem Weg dorthin muss ihr Jeep jedoch vom Weg abgekommen sein. Man fand ihn leer in den folgenden Tagen der Suche.»
«Und Ihre Frau?»
«Blieb verschwunden.»
Kilian wartete einen Moment. Doch dann warf er ein : « Seltsam. Finden Sie nicht auch?»
Sibelius drehte sich um. «Was meinen Sie?»
«Nun, eine Frau, die kurz zuvor entbunden hatte …»
«Ich sagte Ihnen doch, dass wir kein Kind hatten.»
«Sie nicht, aber Ihre Frau mit Jonathan Kingsley.»
«Das glaube ich Ihnen nicht. Solange Jonathan nichts davon erzählt, gibt es kein gemeinsames Kind. Ich vertraue ihm. Es war niemals die Rede von einem Kind, weder meinem noch Jonathans.»
Sibelius wurde unruhig. «Ich denke, ich habe Ihre Fragen so weit beantwortet, wie ich konnte. Wenn ich Sie nun bitten dürfte …»
Kilian stand auf. «Noch eine letzte Frage. Wo h a ben Sie sich vor drei Tagen zwischen 20 Uhr und Mitternacht aufgehalten?»
«Was soll die Frage?»
«Reine Routine. Wir überprüfen jeden, der in Verbindung mit dem Opfer steht.»
Sibelius setzte schon zur Gegenrede an, dass er in keiner Verbindung zu Henry gestanden hatte, unte r ließ e s d ann aber. Er wollte offensichtlich so schnell wie möglich die Befragung beenden.
«Ich denke, ich war zu Hause. Ja, es war mein fre i er Abend. Ich war hier.»
«Zeugen?»
«Nein, ich lebe allein.»
«Was haben Sie getan?»
«Gelesen, Musik gehört.»
«Gab es irgendwelche Telefonanrufe oder Bes u cher, die Ihre Angaben bestätigen können?»
«Ich lebe sehr zurückgezogen.»
«Wie lange wohnen Sie schon hier?»
«Mein ganzes Leben. Es ist die Stadtwohnung meiner Eltern.»
Sibelius ging an Kilian vorbei in Richtung Au s gang. Kilian folgte ihm. «Ihre Eltern wohnen auße r halb?»
«Wie man es sehen will. Ihr Anwesen liegt auf dem Dallenberg.» Sibelius öffnete die Tür.
Natürlich der Dallenberg, der Millionenhügel, ging es Kilian durch den Kopf. «Sie haben nach dem Tod Ihrer Frau nicht mehr geheiratet?»
Sibelius antwortete nicht. Er schloss einfach die Tür hinter Kilian.
27
W enn Heinlein erwartet hatte, einem gramgebeu g ten Vater auf die mitfühlende Tour Informationen entlocken zu müssen, so hatte er sich getäuscht. Er fand Jonathan Kingsley nicht zu Hause vor, sondern an seinem Arbeitsplatz in der Sibelius-Klinik. Der Arzt ließ Hei n lein fast zehn Minuten am Empfang warten. Als er schließlich kam, bat er ihn mit in die Cafeteria.
«Ich muss etwas essen und habe noch sehr viele Termine. Wenn es Sie also nicht stört, würde ich während unseres Gesprächs gern etwas zu mir nehmen.»
Sie setzten sich an einen Tisch abseits der anderen Besucher, und nachdem
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