Der Bastard
sein. Sommersprossen verliehen ihr einen natürlichen Charme, und ihr blitzsauberes Lächeln verriet, dass sie Gesellschaft schätzte.
«Sie wohnen recht abgeschieden hier draußen», eröffnete Kilian das Gespräch.
«Es kann schon einsam werden, besonders nachts, wenn Max nicht da ist.»
«Ist er denn oft fort?»
«Er arbeitet Schicht und wird manchmal zu Notfällen gerufen. Ich sage ihm immer wieder, er soll sich nach etwas anderem umschauen, aber bisher war noch nicht das Richtige für ihn dabei.»
«Die Klinik verlässt man ja nicht einfach so. Sie soll einen guten Ruf genießen.»
«Das stimmt schon. In dieser Zeit muss man froh sein, überhaupt eine Arbeit zu haben. Aber sie macht ihm ja selbst keine Freude mehr. Wenn es nach ihm ginge, dann würde er lieber heute als morgen aus der Stadt fortziehen.»
«Wieso macht er es nicht?»
«Er ist so schrecklich verantwortungsbewusst. Er kann seine Mitarbeiter nicht einfach im Stich lassen, sagt er. Aber er hat mir versprochen, dass er bald e i nen Schlussstrich ziehen wird.»
«Was meinen Sie damit?»
«Kündigen.»
«Das ist mir neu. Ich vermute, das wird nicht so einfach möglich sein. Er ist schließlich der ause r wählte Nachfolger.»
«Niemand ist unersetzbar. Ich meine, nachdem sein Chef in Rente gegangen ist und die Position an ihn weitergegeben hat, wird das doch auch mit j e mandem anderen möglich sein.»
Kilian war irritiert. Worüber sprach die Frau? Er musste vorsichtig sein. «Wie lange sind Sie schon zusammen?»
Sie dachte nach. «Es müssen jetzt schon sieben Jahre sein.»
«Eine lange Zeit. Keine Kinder?»
Die intime Frage brachte sie in Verlegenheit. «Max … er will keine mehr. Ich kann das nachempfinden. Dennoch, ich hätte nichts dagegen. Mal schauen, vielleicht wird es doch noch was.»
«Hatte er denn schon mal ein Kind?»
«Ja, mit seiner ersten Frau. Kind und Frau sind aber bei der Geburt gestorben. Schrecklich. Er hat es bis heute nicht überwunden.»
«Hat er Ihnen von den Umständen, die zu ihrem Tod führten, erzählt?»
«Er spricht nicht gern darüber. Sie sind bei e i nem Autounfall ums Leben gekommen. Sie wissen erstaunlich wenig über ihn. Woher kennen Sie sich?»
«Ich habe gerade in der Klinik zu tun.»
«Gehören Sie zum technischen Personal?»
«Ich verstehe nicht.»
«Zu den Zulieferern, mit denen Max zu tun hat. Technisches Material für die Krankenzimmer und die Operationssäle.»
Kilian verstand endlich. Maximilian hatte sich bei ihr als technischer Mitarbeiter der Sibelius-Klinik ausgegeben. «Nein, nein», antwortete er und gab sich ein Stück zu erkennen. «Ich bin bei der Pol i zei.»
Die Frau erschrak, fasste sich aber wieder. «Er hat doch hoffentlich nichts ausgefressen?»
«Sie müssen sich keine Sorgen machen. Dennoch würde ich gern wissen, wo er letzte Woche am Donnerstagabend war.»
«Hier natürlich, wie jeden Abend, wenn er nicht gerade Dienst hat.»
«Und an diesem Abend hatte er frei?»
«Ja, er kam sogar etwas früher als sonst, so gegen 19 Uhr.»
«Er war die ganze Zeit bei Ihnen?»
«Wir haben zusammen gekocht. Er hatte einen Wel s g efangen, ein Mordstrumm, den mussten wir in mehrere Portionen aufteilen und einfrieren.»
«Ging er nochmal weg?»
Sie überlegte. «Ja, zwei Stunden ungefähr. Er wol l te noch etwas erledigen.»
«Wann war das?»
«Keine Ahnung, irgendwann vor Mitternacht.»
«Hat er gesagt, wohin er wollte?»
«In die Klinik, nehme ich an. Das ist nichts Ungewöhnliches. Ich frage schon gar nicht mehr danach. Aber wieso wollen Sie das wissen? Ich mache mir Sorgen.»
Kilian beruhigte sie, es handle sich nur um Routinefragen, die er stellen müsse. Dann bedankte er sich für den Kaffee und fragte sie, wo er Maximilian finden könne. Sie ging mit ihm vor die Tür und wies ihm den Weg.
Als Kilian beim Verlassen des Hofes in den Rückspiegel blickte, erkannte er eine beunruhigte und ahnungslose Frau, die mit einem Fremden zusammenlebte.
K ilian fand Maximilian Sibelius an einem See si t zend. Die Angel ruhte zwischen seinen Beinen, sein Blick war auf die stille Wasseroberfläche gerichtet. Als er Kilian kommen hörte, drehte er sich um und erschrak. «Was machen Sie denn hier?»
Kilian setzte sich neben ihn, schaute hinaus auf das Wasser und den Waldsaum, der den See einfas s te. «Es ist schön hier draußen. Ruhig und unbela s tet. So ganz anders als in der Stadt. Ich kann verst e hen, dass man sich das nicht zerstören lassen will. Doch müssen
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